Afghanistans langer Weg zur Demokratie

taz.de
19.06.2002

DIE LOJA DSCHIRGA IST GEFANGEN ZWISCHEN TRADITION UND MODERNE

Die afghanische große Ratsversammlung kommt seit Tagen nicht voran. Auf der Rednerliste der Loja Dschirga stehen hunderte Namen, doch nur noch wenige kommen zu Wort. Mittlerweile hören auch nur noch wenige zu, wenn Redner und Rednerinnen das Publikum mit den immer gleichen Problemen des Landes strapazieren: Zerstörte Schulen und kaputte Straßen, fehlende Jobs, Krankenhäuser, Telefone. Die völlig unfähige Leitung dieser Loja Dschirga ist nicht in der Lage, die Debatten zu strukturieren, eine straffe und transparente Rednerliste zu führen und Redezeiten zu begrenzen. Vielmehr wird autoritätsfixiert der Prominenz uneingeschränkt das Wort gegeben. Alle Vorschläge werden mündlich vorgetragen, Redezeit sparende schriftlich formulierte Anträge sind unbekannt.

Traditionell ist die Loja Dschirga ein Konsultativorgan in Notzeiten, das von Afghanistans Herrschern immer dann einberufen wurde, wenn sie grundlegende Entscheidungen zu fällen hatten und sich dabei breiter Unterstützung sicher sein wollten. Meist war die Entscheidung schon gefallen und der Herrscher ließ diese absegnen. Entschieden wurde traditionell im Konsens, also wurde so lange diskutiert, bis man sich einig war. Mehrheitsentscheidungen waren so unbekannt wie Kampfabstimmungen und Minderheitenrechte.

Die jetzige Loja Dschirga fußt auf dieser Tradition. Eine Abstimmungsniederlage bedeutet auch heute noch einen schweren Gesichtsverlust. Doch neben archaischen Dorfältesten, Stammesführern, Mullahs, Mudschaheddin und skrupellosen Warlords sitzen jetzt mit LehrerInnen, ÄrztInnen, weltgewandten Geschäftsleuten und Intellektuellen auch Delegierte in der Versammlung, die das moderne Afghanistan verkörpern. Sie alle sollen gemeinsam einen Weg für Afghanistans Zukunft finden. Vereinbarte Regeln dafür gibt es nicht. So ist diese Loja Dschirga der verzweifelte Versuch, in einem von Krieg zerstörten und von brutalen Machtkämpfen geprägten Land einen traditionellen Stammesratschlag mit Elementen der parlamentarischen Demokratie zu verknüpfen. Eine kaum lösbare Aufgabe.

SVEN HANSEN

 

Karsai setzt neue (alte) Regierung durch
Der neue afghanische Präsident Hamid Karsai hat am Mittwoch 15 Minister seines neuen Kabinetts von der Loja Dschirga in Kabul per Akklamation bestätigen lassen. Im Personaltableau gab es eine Überraschung.


  20.06.2002 Spiegel

 

Souveräner Taktiker mit ausgleichendem Gemüt: Hamid Karsai

Kabul - Die Bekanntgabe seines neuen Kabinetts musste Karsai mehrfach verschieben. Hinter den Kulissen gab es ein heftiges Tauziehen um die Ämter und um die Mitspracherechte der Loja Dschirga, doch am Ende setzte er sich mit einer bewährten Uno-Taktik bei ähnlich großen Gipfeltreffen durch.
Er präsentierte den Abgeordneten eine neue Regierung, die in den Schlüsselressorts weitgehend die alte ist. Anschließend fragte er schlicht: "Akzeptieren Sie dieses Kabinett? Bitte heben Sie Ihre Hand." Und nur einen Augenblick später stellte er fest: "Alle haben zugestimmt und ich bin froh darüber."

Damit hat Karsai nach Ansicht von Beobachtern ein drohendes Chaos und ein Scheitern der Loja Dschirga vermieden. Eine Debatte mit formeller Abstimmung über die Regierung, so wie es einige Delegierte unter Berufung auf das Petersberger Abkommen vom Dezember forderten, hätte die Versammlung an ihrem neunten Tag nicht leisten können. Zu groß waren die Differenzen und Schwierigkeiten, mit denen die Teilnehmer zu kämpfen hatten. Karsai hat vorerst gewonnen: Seine Regierung steht und ist durch die traditionelle Ratsversammlung legitimiert.

Tadschiken-Einfluss gemildert

Zudem hat Karsai den Würgegriff der Tadschiken über die Regierung etwas gelockert. Drei Paschtunen erhielten wichtige Posten im Kabinett oder als Berater. Bilang war Karsai der einzige Repräsentant der Paschtunen in der Regierung, die immerhin rund 40 Prozent der 25 Millionen Afghanen ausmachen. Die Tadschiken aus dem Pandschir-Tal nördlich von Kabul zählen nur 300 000. Ihren Einfluss verdankten sie ihrer Rolle in der Nordallianz, die eine entscheidende Rolle beim Sturz der Taliban spielte.

Ob sich die Regierung allerdings gegen die regionalen Kriegsherren wird durchsetzen können, ist mehr als fraglich. Mit dem als unberechenbar geltenden Usbeken-General Abdul Raschid Dostum sowie mit Ismail Chan, der das Gebiet an der Grenze zu Iran kontrolliert, hat Karsai offenbar Stillhalte-Abkommen geschlossen. Dostum habe versprochen, künftig in seiner Heimat im Norden für den Frieden zu arbeiten, verkündete Karsai unter dem Beifall der Delegierten. Der Kriegsherr, dem seit seiner ursprünglichen Parteinahme für die sowjetischen Besatzer zahlreiche Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, verzichtete auf sein bisheriges Amt als stellvertretender Verteidigungsminister.

Die Bedeutung dieses Ressorts steht für Karsai außer Frage. Er appellierte in seiner Rede eindringlich an alle Afghanen, das zivile Oberkommando des Ministeriums im ganzen Land zu respektieren. Bislang reicht die Macht nur bis vor die Tore Kabuls, und auch das nur dank der internationalen Schutztruppe ISAF. Die Raketeneinschläge am Dienstagabend, die zum Glück keinen Schaden anrichteten, machten einmal mehr auf das größte Problem Afghanistans aufmerksam: die Sicherheit.

Eindringlich hatte Karsai die Delegierten der Loja Dschirga um Entschuldigung gebeten, dass nicht jeder Wunsch bei der Kabinettsbildung berücksichtigt werden konnte. Das Problem war, so schmeichelte der Präsident die Stammesfürsten und Kriegsherren: "Wir haben einfach mehr qualifizierte Leute als wir Posten haben."


Innenminister muss umsatteln

Das besonders wichtige Verteidigungsministerium wird weiter von dem Tadschiken-General Mohammed Fahim geleitet werden. Auch Außenminister Abdullah Abdullah wird seinen Posten behalten. Neuer Innenminister wird Tadsch Mohammed Wardak, bislang Gouverneur der Provinz Paktia. Sein Vorgänger, der Tadschike Junis Kanuni muss dagegen umsatteln. Er wird neuer Bildungsminister.

Das Finanzministerium übernimmt der bisherige Präsidentenberater Aschraf Ghani, ein Paschtune. Verteidigungsminister Fahim wird auch erster Stellvertreter von Karsai. Zu seinem zweiten Stellvertreter ernannte Karsai den angesehenen Schiiten-Führer Karim Chalili, der zur Minderheit der Hasara gehört. Der dritte Stellvertreter wird der Pastune und bisherige Gouverneur der Provinz Nangara, Hadschi Kadir. Damit sind im Präsidentenamt drei der wichtigsten Volksgruppen vertreten.

Pläne für ein Übergangsparlament

Karsai nannte außerdem die Namen von weiteren zehn Ministerkandidaten und den des neuen Obersten Richters. Anschließend bat der Präsident die Abgeordneten der Loja Dschirga, die Personalentscheidungen per Handzeichen zu bestätigen und rief die Loja Dschirga auf, nun zügig ein Übergangsparlament zu bilden. Er erneuerte seinen Vorschlag, aus jedem Wahlkreis fünf Personen zu benennen. Diese sollten in Kabul bleiben und die Regierung kontrollieren.

Die Beratungen der Loja Dschirga in Afghanistan sollen heute (11. Juni 2002) mit eintägiger Verzögerung beginnen. Der Start der Sitzung war nach offiziellen Angaben wegen organisatorischer Probleme verschoben worden.

Statt der 1501 akkreditierten Delegierten seien mehr als 2000 Afghanen zur Loya Dschirga erschienen, sagte ein Sprecher der Versammlung. Es müsse nun eine endgültige Liste der wahlberechtigten Delegierten erstellt werden. "Wir wollten pünktlich beginnen, aber es ist wichtiger, eine Liste der wählenden Mitglieder zu haben", sagte der Sprecher. Diplomaten und Regierungsvertreter dementierten Spekulationen, dass Sicherheitsprobleme der Grund für die Verzögerung seien.

Eigentlich sollte König Mohammed Sahir Schah die traditionelle Ratsversammlung eröffnen, die eine neue Übergangsregierung wählen soll. Doch bereits darüber gab es Streit hinter den Kulissen. Mit dem Verzicht auf alle Ämter hat der frühere König Mohammed Sahir Schah die Spekulationen über seine künftige politische Rolle beendet. Am Montagabend bekräftigte er seine Unterstützung für Hamid Karsai.

Der Weg zur Demokratie

Nach den Petersberger Verhandlungen im Dezember 2001 einigten sich die afghanischen Vertreter auf die Einberufung einer Loya Dirga, mit deren Hilfe ein Ausgleich zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen gefördert und Afghanistan in eine demokratische Zukunft geführt werden sollte.

Zunächst wurde mit dem offiziellen Übergang der politischen Macht in der Hauptstadt Kabul am 22. Dezember eine erste Interimsverwaltung eingesetzt. Sie besteht aus einer Interimsregierung, einem Obersten Gerichtshof und einer unabhängigen Sonderkommission für die Einberufung einer außerordentlichen Loya Dschirga - eben jene Versammlung, die jetzt zusammentreten wird.

Ein gerechter Proporz als Maxime

Die 21-köpfige Loya-Dschirga-Sonderkommission erarbeitete dann in enger Abstimmung mit der UN-Behörde vor Ort Kriterien für die Zusammensetzung der Stammesverwaltung. Demnach sollen 70 Prozent der Delegierten gewählt und 30 Prozent ohne Wahl bestimmt werden. Das Ergebnis wird am Montag (10.6.) zu sehen sein: Dann kommen die insgesamt rund 1500 Delegierten aus den 32 Provinzen des Landes in Kabul zusammen, um die Weichen für den Aufbau einer demokratischen pluralistischen Gesellschaft in Afghanistan zu stellen.

Um sicherzustellen, dass die Loya Dschirga wenigstens annähernd die komplizierte Bevölkerungszusammensetzung des Vielvölkerstaates repräsentiert, orientierte sich das Auswahlverfahren hauptsächlich am Kriterium der Bevölkerungsdichte. Deshalb etwa kommen 116 Delegierte aus der Provinz Kabul und nur 15 aus der Provinz Logar. Zudem wurde dafür gesorgt, dass die afghanischen Frauen in der patriarchalisch strukturierten Gesellschaft nicht an den Rand des politischen Geschehens gedrängt werden: Insgesamt 160 weibliche Delegierte aus verschiedenen Sparten der Gesellschaft nehmen gleichberechtigt an der Versammlung teil. Allein unter den 100 Delegierten, die die im Ausland lebenden afghanischen Flüchtlinge vertreten, befinden sich 25 Frauen.

Gesorgt wurde auch dafür, dass die religiösen Minderheiten der Sikhs und Hindus mit jeweils zwei Delegierten vertreten sind. Weitere Beispiele sind die Interessengruppe der Blinden und die Berufsgruppe der Journalisten, die jeweils fünf Delegierte entsenden.

Vorbereitung auf die eigentliche Loya Dschirga

Nicht übersehen werden darf dabei, dass die Einberufung der jetzigen, außerordentlichen Loya Dschirga und ihre Tagung vom 10. bis zum 16. Juni nur vorbereitenden Charakter hat. Der Weg ist noch lang und ziemlich kompliziert: Das Gremium soll über die Zusammensetzung einer provisorischen Regierung beraten und darüber hinaus eine Art Übergangsparlament mit 120 Abgeordneten wählen. In enger Zusammenarbeit mit diesem Parlament soll dann die provisorische Regierung eine Verfassung erarbeiten und damit die Weichen für die Einberufung der eigentlichen Loya Dschirga, 18 Monate später, stellen.

Parlament und Übergangsregierung amtieren also nur vorübergehend. Erst die danach zu etablierende eigentliche Loya Dschirga soll gemäß der Petersberg-Vereinbarung endgültig das Schicksal Afghanistans bestimmen. Details dieser Regierungsform bleiben zu klären.

Auf schwierigem Terrain

Die bewaffnete Austragung von Machtkämpfen auch in jüngster Zeit verdeutlicht allerdings, dass der Weg zum Aufbau einer Zivilgesellschaft in Afghanistan steinig bleiben dürfte. Dennoch herrscht allgemein die Hoffnung, dass die Völker am Hindukusch einen modus vivendi finden werden.

Dies sieht übrigens auch die deutsche Bundesregierung so: Sie hat die Vorbereitungen zur Loya Dschirga über die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) aktiv unterstützt und trägt von geschätzten 6 Millionen Euro Gesamtkosten einen beachtlichen Anteil von 2,7 Millionen Euro.

 

KARZAI UNVEILS CABINET - AT LAST

IWPR'S Afghan Recovery Report

After days of rumour and intrigue, Hamid Karzai finally announces his
cabinet, with appointments drawing broad support from Loya Jirga
delegates.

President-elect Hamid Karzai announced a cabinet on Wednesday that's kept
the delicate balance between the country's two largest groups, the
Pashtuns and the Tajiks.

Towards the end of a masterful 45-minute speech, he asked the delegates to
the Loya Jirga to approve his choice with a show of hands. When delegates
raised their hands, he declared that the main ministerial appointments had
been formally approved in accordance with the rules laid down for the
assembly by the Bonn conference.

"I think you know what's been going on with me," he joked as he settled in
at the podium, an apparent reference to the difficulty he 's thought to
have faced in appointing a government acceptable to the delegates. "May
God never put you in such a position. I have had big problems."

Of the four key government posts, Mohammad Fahim, the leading military
commander from the Northern Alliance who took Kabul when the Taleban fell,
remains minister of defence, as expected. He also becomes one of three
vice-presidents. Replacing Yunus Qanooni as interior minister is Taj
Mohammad Khan Wardak, a provincial governor. Abdullah Abdullah retains the
foreign ministry and Ashraf Ghani was handed the department of finance and
economics.

The appointments mean that the power ministries are now divided equally
between Tajiks and Pashtuns. In the interim administration, the former
controlled three of the departments, the latter one.

"A Tajik who is not also a Pashtun is not a Tajik. A Pashtun who is not
also a Tajik is not a Pashtun," said Karzai, who spent 20 minutes talking
about the need for national unity before announcing his cabinet. As he has
done throughout his seven speeches to the assembly, he spoke mainly in
Dari but repeated key portions in Pashto.

Karzai's two other vice-president appointments were men with immense sway
over their respective regions - Haji Qadeer and Karim Khalili from the
eastern and central part of the country respectively - and then told them
they had to stay in Kabul.

"Haji Qadeer, where are you?" he said, scanning the audience with the
humour that has become a trademark of his public speaking. "You heard you
must stay in Kabul."

Qadeer is the governor of Nangahar province and has had the backing of
148 delegates throughout the conference, about the only leader able to
command such a block vote. Khalili is head of Hezb-e-Wahdat party and
political leader of Afghanistan's Hazara community.

"We have appointed these people because we want to maintain national
unity," Karzai said.

The president-elect also made UN special envoy Lakhdar Brahimi an honorary
Afghan citizen and awarded a medal to US envoy Zalmay Khalilzad.

Karzai did not announce his full cabinet, only 14 posts. Of these one was
a woman, Suheila Siddiq, who retains her post as minister of health in the
interim administration. There was little radical change. Only four of the
ministers in the former authority were left without any portfolio.

Karzai also addressed Rashid Dostum and Ismail Khan, Afghanistan's two
most powerful regional military leaders. He said the former, who holds
sway over large parts of the north, had come to him earlier in the day
promising to cease any involvement in military affairs. Karzai said he was
trying to work out an arrangement for the latter, the governor of Herat
and head of his own force of 30,000 men in the west, to come to Kabul in
some position.

The Loya Jirga's approval was technically by a show of hands. Half an hour
into his speech, Karzai said, "I want you to raise your hands if you
approve my choice."

Many delegates obliged. And after about five seconds, Karzai, who had
remained at the podium the whole time, declared that his choice had been
approved. There was no separate call for people who did not agree with the
appointments.

On the question of a parliament or Shura, Karzai said five delegates from
each of the nine regional zones that sent representatives to the gathering
should stay in Kabul for a month and sort out details of an assembly to
oversee the transitional government over the next 18 months.

Many delegates had said before Karzai's speech that they would be
disappointed if the Jirga did not itself create a parliament.

After Karzai finished speaking, Ismail Qassimyar read out a brief speech
on behalf of ex-king Zahir Shah. He then adjourned the gathering, despite
protests from some delegates who wanted to have their say on the
appointments.

The Jirga is expected to meet later on Wednesday for a ceremonial closure.

The full announcements Karzai made were as follows (comparison with
interim administration in brackets).

Ministers:
Mohammad Fahim, Defence (no change)
Taj Mohammad Khan Wardak, Interior (replaces Yunus Qanooni)
Abdullah Abdullah, Foreign Affairs (no change)
Ashraf Ghani, Economy and Finance (replaces Hedayat Amin Arsala)
Aji Mohammad Mohaqiq, Planning (no change)
Masoum Stanakzai, Communications (replaces Abdul Rahim)
Mohammad Khan Noorzai, Frontier Areas (replaces Amanullah Zadran)
Alim Razim, Light Industry (replaces Mohammad Khan Noorzai)
Enyatullah Naziri, Migration (no change)
Joma Mohammad Mohammedi, Mines and Heavy Industry (replaces Alim Razim)
Suheila Siddiq, Health (no change)
Mustafa Kazimi, Trade (no change)
Sayid Hussain Anwari, Agriculture (no change)
Yunus Qanooni, Education (replaces Rasoul Amin)

Vice-presidents:
Mohammad Fahim, Karim Khalili, Haji Qadeer.

 

AFGHANISTAN

Der Mann der Stunde

Willi Germund

artikel start-->Den ersten großen Auftritt auf der internationalen Bühne hatte Hamid Karsai per Telefon im vergangenen Dezember. Lakhdar Brahimi, der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, präsentierte den Paschtunen vom kleinen Popalzai-Stamm den überraschten Gästen zum Auftakt der Bonnkonferenz, die über die Zukunft Afghanistans beriet. Damals verteidigten die radikalislamischen Talibanmilizen noch ihre Bastion Kandahar. Karsai war zu jener Zeit nur wenigen bekannt, vor allem weil er Anfang der 90er-Jahre einmal Vizeaußenminister Afghanistans war. In den kommenden 18 Monaten wird er als Präsident den Übergang Afghanistans zu friedlichen, vielleicht auch demokratischen Verhältnissen steuern.

Inzwischen ist die Figur des 44-jährigen Mannes aus der Provinz Uruzgan zum Markenzeichen des Neubeginns am Hindukusch geworden. Man kennt ihn mit seinem "Chapan", dem bei den Usbeken in Nordafghanistans üblichen weiten Umhang, und der "Karakuli", einer aus dem Fell ungeborener Lämmer gefertigten Mütze. Er macht Mode, in seiner Heimat und darüber hinaus. Der Minister für Wiederaufbau, Amin Farhang, glaubt: "Es gibt derzeit keinen, der ihn ersetzen könnte." Karsai habe Charisma, sei intelligent, international und national akzeptiert und habe es verstanden, Afghanistans gefürchtete Kriegsfürsten an Kabul zu binden.

Karsai trat sein Amt ohne Hausmacht an. Er genoss die Unterstützung der USA, aber die Nordallianz, die die Schlüsselministerien für Verteidigung und Inneres die Sicherheitskräfte kontrolliert, war in den vergangenen sechs Monaten der wirkliche Herr in Kabul. "Karsai gleicht einer Nachtigall, die nicht singen darf", verspotten ihn Paschtunen aus dem Süden, weil sie ihn als Vasallen der USA und der Nordallianz betrachten. Karsai ficht das nicht an. Als er am Donnerstag vor der Loya Jirga seine Kandidatur als Chef der Interimsregierung begründete, sagte er: "Unsere Priorität waren Frieden und Sicherheit. Das haben wir erreicht."

Dabei half der Einsatz von US-Truppen und Spezialeinheiten aus anderen Ländern, die mit Unterstützung der afghanischen Kriegsfürsten nach den Resten der Taliban und von Osama Bin Ladens Gruppe El Kaida suchen. Doch Karsai musste für die Stabilität seiner Regierung auch manchen faulen Kompromiss eingehen. So ließ er es zu, dass Din Mohammed Jurat, Sicherheitschef für Kabul, immer noch im Amt ist, obwohl er in den Mord an Luftfahrtminister Abdul Rahman verwickelt gewesen sein soll. Kurz vor dem Beginn der Loya Jirga zwang Karsai die Organisatoren noch, die Provinzgouverneure - allesamt Kriegsfürsten - zu Delegierten zu ernennen. EU-Botschafter Klaus Peter Klaiber versuchte zu verstehen: "Karsai will sie integrieren. Wenn ihm das gelingt, wird das eine große Leistung sein."

Karsai redet nicht gerne über solche Entscheidungen: "Ihr fragt nur nach den negativen Sachen", wirft er Journalisten vor, "über die positiven Entwicklungen wollt ihr nie etwas wissen." Und einem afghanischen Fernsehmitarbeiter drohte er mit Entlassung, weil der eine Frage gestellt hatte, die Karsai nicht passte. Aber Schwierigkeiten im demokratischen Umgang mit der Presse haben auch Politiker in eingeübten Demokratien. 
http://www.berlinonline.de/aktuelles/berliner_zeitung/politik/.html/151171.html

Karsai zum afghanischen Präsidenten gewählt

Überwältigende Mehrheit in der Loja Dschirga / Aufruf zur Nationalen Einheit

Willi Germund

artikel start-->KABUL, 13. Juni. Afghanistans Loja Dschirga wählte am Donnerstagabend den 44-jährigen Paschtunen Hamid Karsai mit 1 295 von 1 575 abgegebenen Stimmen zum neuen Präsidenten der Übergangsverwaltung. Sie wird das Land am Hindukusch 18 Monate lang bis zu den ersten Wahlen regieren. "Sie haben mir vertraut", wandte sich Karsai nach der Wahl an die jubelnden Delegierten. "Gott wird uns helfen, Afghanistan wieder aufzubauen." Der 44-jährige Karsai galt schon vor Beginn der mehrstündigen Abstimmung als klarer Favorit. Er setze sich gegen zwei Mitbewerber durch, darunter die 34-jährige Ärztin Masooda Jalal, die mit 171 an zweiter Stelle landete. Der dritte Kandidat, Mir Mohammed Mahfus Nadai, erhielt 89 Stimmen. Die Abstimmung erfolgte ohne vorherige Diskussion über die Kandidaten. Karsai hatte sich selbst bereits am Dienstag nach seiner Eröffnungsrede zum neuen Chef proklamiert, musste aber zurückstecken, weil die Loja Dschirga auf einer formellen Wahl bestand.

Versöhnung mit Taliban

Vor der Abstimmung hatte Karsai in seiner Bewerbungsrede zu Wiederaufbau, Frieden und Versöhnung aufgerufen. Afghanistan müsse seine einmalige Chance nutzen, mit Hilfe des Auslands den Wiederaufbau zu schaffen, sagte Karsai. Er bekräftigte seine Auffassung, einfache Taliban-Kämpfer sollten nicht verfolgt werden: "Wir müssen zwischen Taliban und Terroristen unterscheiden", sagte er. Abwechselnd in den beiden am weitesten verbreiteten Landessprachen Paschtu und Dari appellierte Karsai an die Einheit des Volkes. Nach 23 Jahren Bürgerkrieg seien endlich alle Afghanen unter einem Dach versammelt: "Das ist eine Frage der Würde für uns", sagte der 44-Jährige.

Internationale Hilfsleistungen müssten mit "Transparenz und Präzision" eingesetzt werden, verlangte Karsai. "Sonst gibt es keine Chance auf ausländische Hilfe." Ans Ausland gerichtet sagte er, Afghanistan wolle gute nachbarschaftliche Beziehungen mit der ganzen Welt. Das Land werde aber auch für seine Souveränität eintreten.

Die Loja Dschirga, die noch bis zum 16. Juni tagt, soll in den kommenden Tagen auch einen 111-köpfigen Konsultativrat bestimmen, der als provisorisches Parlament dienen soll. Außerdem wird über die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts debattiert werden.

Innenminister Yunus Khanuni hatte bereits den Verzicht auf das Amt erklärt. Khanuni gehört zur Gruppe der überwiegend aus Tadschiken bestehenden Nordallianz, die in den letzten Monaten die Kontrolle über das Verteidigungs- und Innenminister inne hatte und damit für die Sicherheitskräfte verantwortlich war. Die Gruppe der Paschtunen, die aus dem Süden Afghanistans, stammen, hatten sich zunehmend über mangelnden Einfluss in Kabul beklagt. "Die Posten, die die Tadschiken im Kabinett räumen, müssen alle von Paschtunen besetzt werden", sagte der noch amtierende Wiederaufbauminister Amin Farhang. Als Nachfolger Khanunis ist Haji Qadir, Gouverneur der Region Dschalalabad, im Gespräch. Er ist ein Bruder des von den Taliban ermordeten Abdul Haq.

Nach Meinung des Delegierten Akram Faizel wird die Kontrolle des Sicherheitsapparates künftig an Bedeutung verlieren: "Solange ausländische Sicherheitskräfte in Afghanistan stationiert sind, ist die Kontrolle über die Banken und der Posten des Finanz- und Wirtschaftsministers wichtiger." (mit AFP, dpa) artikel ende--> -->

Ein Rat für alle Stämme

Die Loya Dschirga, der große Rat, soll Afghanistan den Weg in eine stabile und demokratische Zukunft weisen. Die Loya Dschirga hat in der Geschichte Afghanistans eine lange Tradition. Ein Hintergrund von DW-WORLD.

Die Institution der Loya Dschirga, was soviel wie Große Rats- oder Stammesversammlung heißt, ist tief in der Tradition der Völker am Hindukusch verwurzelt. Angeblich sollen schon die Ureinwohner des Landes zur Regelung ihres sozialen Lebens stets beratende Versammlungen abgehalten haben. Antike Tradition lebt

Laut afghanischen Historikern wurden auf diese Weise schon in der Antike nicht nur innere Probleme von Dorfgemeinschaften, sondern auch die Außenbeziehungen mit benachbarten Dörfern geregelt. Der Name der beiden Modelle: Kleine Ratsversammlung, "Sabha", und Große Ratsversammlung, "Simathy". Im Hinblick auf die Konsensfindung sprechen Experten von einem "urdemokratischen Charakter" dieser Versammlungen. Die Gemeindemitglieder bezogen dort entweder unmittelbar zu bestimmten Fragen selber Position, oder so genannte Aufgeklärte, "Rishies", fassten in ihrem Namen die Beschlüsse.

Niemand kommt daran vorbei

In späteren Jahrhunderten waren am Hindukusch selbst despotische Herrscher, erbarmungslose Eroberer und ambitionierte Imperatoren gezwungen, in entscheidenden Fragen auf dieses traditionelle Instrument der Beschlussfassung zurückzugreifen - etwa wenn es um das Schicksal des ganzes Landes ging.

Einen besonderen Stellenwert in der neueren Geschichte des Landes hatte die beratende Versammlung von "Schir Sorkh", zu deutsch: Roter Löwe. Schir Sorkh ist eine kleine Ortschaft an der Peripherie der heutigen afghanischen Stadt Kandahar. Eine beratende Versammlung führte dort 1747 zur Gründung der afghanischen Staatsdynastie durch Ahmad Khan, bekannt auch als Ahmad Shah Baba.

Die Ratsversammlung im Tauziehen der Politik

Als Forum des Meinungsaustausches wurde die Institution der Loya Dschirga in Afghanistan seit Beginn des letzten Jahrhunderts zu einem wichtigen Entscheidungsgremium. Sie diente der Legitimation politischer Autorität. Allerdings: Von den zehn wichtigen Loya Dschirgas im 20. Jahrhundert wurden mindestens sieben zur Zementierung despotischer Herrschaftsstrukturen instrumentalisiert.

In den letzten zehn Jahren widersetzten sich vor allem islamisch orientierte Kräfte diesem traditionellen Instrument der Konsensfindung. Sie versuchten stattdessen, einen anderen Rat durchzusetzen: die "Schora", eine Versammlung islamischer Gelehrter.

Konsens verpflichtet

Nach traditionellem Muster müssen Entscheidungen in Loya Dschirgas auf Konsensbasis getroffen werden. Die Wortführer der Versammlungen, die sogenannten "Dschirga-Maran", sind damit quasi verpflichtet, einen Konsens zu erzielen. Die so getroffenen Entscheidungen gelten dann als verbindlich. Von immenser Bedeutung ist deswegen auch, dass die Entscheidungsträger ein breites Spektrum repräsentieren. Sie müssen aufgrund ihres sozialen Status in der Gemeinde in der Lage sein, getroffene Beschlüsse auch daheim in die Tat umzusetzen.

Repräsentative Zusammensetzung als Basis des Erfolgs

Ebenso klar ist: Eine Loya Dschirga kann in heutiger Zeit nur dann zur Stabilisierung politischer Verhältnisse führen, wenn einige weitere Bedingungen erfüllt sind. So muss durch demokratisch legitimierte Mechanismen sicher gestellt sein, dass die Delegierten tatsächlich repräsentativ für die ethnische Vielfalt Afghanistans sind. Zudem müssen realistische Perspektiven für den Aufbau einer Zivilgesellschaft entwickelt werden, um breite Rückendeckung der Bevölkerung zu gewinnen und den Widerstand der Kräfte zu überwinden, die bislang von chaotischen Verhältnisse profitiert haben.

Der Chef der unabhängigen Kommission für die Einberufung der außerordentlichen Loya Dschirga, Mohammad Ismail Qasemyar, betonte gegenüber der Deutschen Welle, die jetzigen rund 1500 Delegierten, darunter 160 Frauen, stammten aus allen Gesellschaftssparten.

 

Loya Jirga in Kabul mit Startschwierigkeiten

 

Streit um die künftige Rolle des früheren Königs

Die für Montag in Kabul vorgesehene Eröffnung der Grossen Ratsversammlung ist auf den Dienstagnachmittag verschoben worden. Der Hauptgrund dafür war ein Streit um die künftige Rolle des früheren Königs Zahir Shah. Am Montagabend erklärte dieser jedoch, er unterstütze die Kandidatur Karzais für das Amt des Präsidenten.

O. I. Kabul, 10. Juni

Die in Kabul mit grosser Spannung erwartete Eröffnung der ausserordentlichen Grossen Ratsversammlung (Loya Jirga) ist auf den Dienstagnachmittag verschoben worden. Von einem Sprecher des Aussenministeriums wurde vorgebracht, dass die technische Ausrüstung nicht bereit sei, was umgehend von Vertretern der Uno dementiert wurde. Jedoch sah sich die Loya-Jirga-Kommission vor organisatorische Herausforderungen gestellt. So sollen mehr als 150 Personen angereist sein, die nicht auf der Liste figurierten, obwohl sie sich für gewählt oder für ernannt hielten. Unter ihnen befinden sich Leute, die an den Römer und Bonner Verhandlungen teilgenommen hatten. Die Anzahl der Delegierten soll nun einfach nochmals erhöht werden. Die Namen auf den Ausweisen, die zum Zutritt berechtigen, sind in englischer Schreibweise und nicht etwa in den Nationalsprachen Dari und Paschtu geschrieben, was zu Unklarheiten führt. Eine komplette Teilnehmerliste wird für den Dienstag erwartet.

Forderungen der Paschtunen

Den tieferen Grund für die Verschiebung bildeten jedoch politische Händel, welche die tonangebenden Politiker noch vor dem Beginn der Versammlung bereinigen wollten. Auf mehr Widerstand als erwartet stiess der Schachzug der militärisch dominierenden Panjshiri-Fraktion der Shura-e Nazar, den Chef der Übergangsregierung, Karzai, schon am Montag als Staatsoberhaupt wählen zu lassen und damit auch die Weichen zur Sicherung ihrer eigenen Machtstellungen in den Ministerien für Verteidigung, Inneres und Äusseres zu stellen. In diesem Kalkül wäre für den paschtunischen früheren Monarchen Zahir Shah eine rein dekorative Rolle reserviert. Damit können sich viele Paschtunen nicht abfinden. Sie fordern, dass der König Staatsoberhaupt werde; Karzai sehen sie in der Rolle des Premierministers - einer Funktion, die von der Loya Jirga noch zu schaffen wäre. Dahinter verbirgt sich auch die Frage, ob Afghanistan ein starkes Präsidialsystem erhalten soll.

Zahir selber nahm zu seiner Rolle öffentlich nur immer mit dem einen sibyllinischen Stehsatz Stellung: Er strebe kein exekutives Amt an, sondern werde das tun, was das Volk von ihm verlange. Das liess alles offen. In seiner Villa sollen am Samstag und Sonntag eine Reihe von Persönlichkeiten vorgesprochen haben, auch Karzai und der Sonderbeauftragte des Uno-Generalsekretärs, Brahimi. Eine tragende Rolle für Zahir Shah ist ein wichtiges Anliegen einiger paschtunischer Delegierter, die am Samstag im Rahmen des einzigen Besichtigungstermins des Tagungsortes für die Presse darauf angesprochen werden konnten.

Drohungen eines Warlords

Schon am Freitagabend hatte ein Mann, auf dessen Kommando rund 600 Bewaffnete hören sollen, lauthals auf diese paschtunische Position aufmerksam gemacht. An einer Pressekonferenz verlangte Pasha Khan Zadran ultimativ die Wahl Zahirs zum Staatsoberhaupt. Der Warlord aus der Provinz Paktia hat im Frühjahr gezeigt, wie er auf Entscheide, die ihm nicht passen, reagieren kann. Nachdem er zuerst von Karzai zum Gouverneur ernannt und dann wieder abgesetzt worden war, liess er um die 500 Granaten auf die Provinzhauptstadt Gardez niederprasseln. In Kabul sagte nun Pasha Khan für den Fall der Nichtwahl Zahirs den Bürgerkrieg voraus und sprach von der Bekämpfung der Interimsregierung und der internationalen Truppe. Er sagte auch, dass er an der Loya Jirga teilnehmen werde.

Das erste klärende Wort über die Position des Königs wurde am späteren Montagnachmittag in der wie ein Heerlager wirkenden, stark befestigten amerikanischen Botschaft gesprochen. Allein die Sicherheitskontrolle der zur Pressekonferenz des Sondergesandten von Präsident Bush, Zalmay Khalizad, anstehenden Journalisten nahm fast eine Stunde in Anspruch. Khalizad bestätigte, dass der frühere König am Sonntagabend Äusserungen gemacht habe, die mit seiner früheren Haltung «inkonsistent» gewesen seien. Es scheine nun, dass diese Äusserungen nicht zutreffend seien und dass Zahir Shah die Kandidatur von Karzai unterstütze, sagte Khalizad. Der frühere König, dem er am Sonntagabend und am Montagmorgen begegnet sei, habe ihm gegenüber bestätigt, dass er für kein Regierungsamt kandidiere. Der Sondergesandte meinte, dass natürlich die USA, wie alle anderen auch, über die Konfusion nicht glücklich seien. Weshalb die Loya Jirga bei dieser angeblich klaren Lage nicht doch am Montagnachmittag begann, blieb Spekulationen überlassen. Für Afghanistan ist es in der gegenwärtigen Lage unabdingbar, dass der frühere König eine klare Position bezieht. Würde er sich von der Loya Jirga abwenden, wäre der ganze Prozess wohl im Volke diskreditiert.

Am Montagabend stellten dann Zahir und Karzai die Dinge vor der Presse klar, wobei der frühere Monarch in seiner Anwesenheit die Erklärung verlesen liess, dass er für kein Amt zur Verfügung stehen werde. Er unterstütze die Kandidatur von Karzai. Dieser antwortete, Zahir sei in der Vergangenheit der Vater der Nation gewesen; er sei es in der Gegenwart und werde es auch in der Zukunft sein.

Als einziger Gegenkandidat Karzais will sich Rabbani aufstellen lassen, der zur Zeit der Herrschaft der Taliban von der internationalen Gemeinschaft als legitimer Staatschef betrachtet wurde. Da ihm nicht einmal die heutigen Exponenten seiner Fraktion Jamiat-e Islami die Stange halten, scheint seine Kandidatur keine grosse Unterstützung zu geniessen.

Grosse Sicherheitsvorkehrungen

In Kabul werden die Teilnehmer der Loya Jirga nicht, wie auf dem Petersberg in Bonn, in relativer Isolation gehalten. Da die Delegierten das mit deutscher Perfektion aufgebaute klimatisierte Zelt jederzeit verlassen können, steigt die Möglichkeit, dass sich die wichtigen Entscheidungen in die Stadt verlagern und sich die Diskussionen über den für den nächsten Sonntag geplanten Abschluss dahinziehen werden. Jedoch soll alles versucht werden, damit spätestens am 22. Juni, 6 Monate nach der Unterzeichnung des Bonner Abkommens, eine neue Regierung die nächste Übergangsperiode von 18 Monaten in Angriff nehmen kann.

Die zur Eröffnung vorliegende Teilnehmerliste wird auch darüber Aufschluss geben, welche Kriegsherren in der zukunftsweisenden Ratsversammlung sitzen werden. Die Anwesenheit der Warlords wirke einschüchternd, meinte ein aus Deutschland zurückgekehrter Paschtune, der nun als Abgeordneter aus Kandahar figuriert. Wenn dies so weitergehe, sehe er keinen guten Einfluss der Loya Jirga auf die Zukunft Afghanistans. Immerhin ist auf dem Tagungsgelände das Waffentragen ausnahmslos untersagt. Auch Leibwächter werden ferngehalten; für manche Herren dürfte es das erste Mal seit 20 Jahren sein, dass sie nicht von einer Anzahl Bewaffneter abgeschirmt werden. Einzig der König, der Interimsregierungschef und der Verteidigungsminister Fahim dürfen je zwei unbewaffnete Bodyguards mitführen. Sowohl am Eingang zum Gelände wie zum Tagungszelt sind Sicherheitsschleusen zu passieren, die jedem europäischen Flughafen gut anstehen würden.

In Kabul ist am Montag das ganze Sicherheitsdispositiv der International Security Assistance Force (Isaf) zum Tragen gekommen. Nominell sorgen afghanische Organe für den Schutz der Loya Jirga, doch vermittelt vor allem die Kabul Multinational Brigade, der unter dem Kommando des deutschen Generals von Butler stehende Kampfverband der Isaf, ein Gefühl der Sicherheit. Selbst mit allen überlegenen militärischen Mitteln ist die Abschirmung des auf drei Seiten von Hügeln umgebenen Tagungsgeländes beim Polytechnikum von Kabul eine verzwickte Aufgabe. Bisher gab es keine Störungen.

 

11. Juni 2002

Loja Dschirga nimmt Arbeit auf

Ex-König verzichtet auf politisches Spitzenamt


Mit dem Verzicht auf alle Ämter hat der frühere König Mohammed Sahir Schah die Spekulationen über seine künftige politische Rolle beendet. Wegen des Streits zwischen Anhängern des Ex-Monarchen und des amtierenden Regierungschefs Hamid Karsai war der Beginn der Großen Ratsversammlung in Afghanistan am Montag um 24 Stunden verschoben worden. Am Abend bekräftigte Sahir Schah seine Unterstützung für Karsai. Zahlreiche Delegierte der Loja Dschirga hatten ihn an die Staatsspitze wählen wollen. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen kamen die 1551 Abgeordneten am Rande von Kabul zusammen. Die Afghanistan-Schutztruppe ISAF warnte vor Anschlägen auf die Loja Dschirga. Der Kommandeur der deutschen Soldaten in der ISAF, Carl Hubertus von Butler, sagte der "Bild"-Zeitung: "Es gibt Hinweise, dass Fundamentalisten versuchen könnten, die Versammlung zu stören". Auch Raketenangriffe oder Selbstmordanschläge seien denkbar.

Ex-König Sahir Schah erklärte, er wolle weder die Monarchie wieder einführen noch stehe er für eines der zu besetzenden Staatsämter zur Verfügung. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Interimsregierungschef Karsai sicherte der Ex-Monarch diesem seine Unterstützung bei der bevorstehenden Wahl zu. Karsai seinerseits sagte, dem vor wenigen Wochen aus dem römischen Exil zurückgekehrten Sahir Schah komme weiterhin die Rolle des "Vaters der Nation" zu und dankte dem Ex-König für dessen Rückendeckung.

Wegen Unstimmigkeiten über die künftige Rolle Sahir Schahs wurde der Beginn der siebentägigen Versammlung auf Dienstagnachmittag (Ortszeit, 12.30 Uhr MESZ) verschoben. Ein Sprecher des afghanischen Außenministeriums machte "logistische und vorbereitende Arbeiten" für den Aufschub verantwortlich. Internationale Beobachter berichteten jedoch, die USA hätten auf eine Verschiebung gedrängt, damit zuvor Einigkeit über die Rolle des Ex-Monarchen erreicht werden könne. Sie hätten befürchtet, dass eine vorschnell gebildete Regierung womöglich bald wieder zerbrechen könnte. Der US-Sondergesandte Salmay Kalilsad wies dies zurück. Auch die UNO war von der Verschiebung nach eigenen Angaben überrascht.

Delegierte berichteten von Streit zwischen den Lagern von Karsai und Sahir Schah, nachdem Anhänger des Ex-Königs ihn in einer wichtigeren Rolle als ursprünglich geplant sehen wollten. Zahlreiche Paschtunen hatten sich sogar für eine Wiedereinführung der Monarchie ausgesprochen. Die Anhänger von Karsai seien darüber "nicht glücklich", sagte ein Abgeordneter. Kalilsad machte dagegen Medienberichte für die "Verwirrung" verantwortlich. Durch Spekulationen über eine mögliche Wahl des Ex-Königs sei "innerhalb und außerhalb" der Loja Dschirga "ein gewisser Ärger" entstanden.

Wegen des Verzichts des afghanischen Ex-Monarchen auf ein führendes politisches Amt haben seine Anhänger mit dem Boykott der Loja Dschirga gedroht. Nach seiner Eröffnungsrede solle Sahir Schah begründen, warum er seinen Verzicht erklärt habe, sagte der Delegierte Faisal Achmed aus der zentralafghanischen Provinz Ghasni am Dienstag in Kabul. Falls die Antwort des Ex-Königs nicht zufriedenstellend ausfalle, könnten viele Delegierte die Versammlung boykottieren.

Nach Sahir Schah verzichtete auch der afghanische Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani auf eine Kandidatur bei der Loja Dschirga. Rabbani verzichte zugunsten des amtierenden Regierungschefs Hamid Karsai auf ein Amt an der Staatsspitze, sagte der Delegierte Fahim Daschti am Montag in Kabul. Der von 1992 bis 1996 amtierende Präsident sei nach eigenen Worten von zahlreichen Anhängern zu einer Kandidatur ermuntert worden, habe dies aber "aus Rücksicht auf die nationale Einheit" abgelehnt, berichtete Daschti weiter. Es gilt nun als sicher, dass der bisherige Übergangsregierungschef Karsai neues Staatsoberhaupt wird.

Außer dem Streit um das Präsidentenamt hatte die Anwesenheit von mehreren hundert unrechtmäßigen Delegierten den Beginn der Loja Dschirga verzögert. Die Veranstalter wollten deshalb die Papiere aller Abgeordneten prüfen.

(N24.de, AFP, dpa)

 

 

Das grosse Palaver hat begonnen


12.06.2002 Bieler Tagblatt



Mit eintägiger Verspätung hat gestern in Kabul die Loya Jirga, die Grosse Ratsversammlung, begonnen. Übergangsregierungschef Hamid Karzai ist der einzige offizielle Präsidentschaftskandidat.

Der «hoffnungsvollste Augenblick der afghanischen Nation in den letzten 30 Jahren», wie ein Afghane sagte, brach gestern mit mehr als 24 Stunden Verspätung an. Die über 1000 gewählten und 500 ernannten Delegierten, die alle Regionen, Ethnien und die wichtigsten Institutionen Afghanistans vertreten, fanden sich gestern am Rande der afghanischen Hauptstadt Kabul in einem riesigen weissen Zelt ein.

Hamid Karsai begrüßt den früheren afghanischen
König Mohammed Zaher Shah.

Diese rund 1550 Delegierten sollen nach traditioneller afghanischer Art wichtige Entscheide für Afghanistans Zukunft treffen. Sie sollen eine Übergangsregierung wählen, welche das Land für die nächsten 18 Monate regieren wird. In dieser Zeit sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um im Jahr 2004 auf demokratische Weise eine definitive Führung wählen zu können.

Auch wenn die Loya Jirga - zumindest aus westlicher Optik - nicht unbedingt als ein demokratisches Mustermodell gilt, so ist sie doch die traditionelle Methode, wie die afghanische Stammesgesellschaft seit Jahrhunderten ihre Probleme löst. «Wir wollen nicht, dass jemand hinter unserem Rücken Abmachungen trifft», erklärt ein Loya-Jirga-Abgeordneter aus Jalalabad. Doch genau dieser Eindruck entstand im Vorfeld der Grossen Ratsversammlung bei vielen Delegierten. Sie glauben, dass Hamid Karzai in erster Linie der Kandidat der USA und deren westlichen Verbündeten sei. Dass sowohl die Nordallianz wie auch einige einflussreiche Warlords ihn unterstützten, betrachten sie als abgekartetes Spiel. Deshalb versuchten sie Exkönig Mohammed Zahir Shah als Gegenkandidaten zu lancieren.

Verzicht des Exkönigs

Weil der unlängst aus seinem 30-jährigen Exil zurückgekehrte Exmonarch im Volk über unglaubliche Sympathien verfügt, witterten Karzais Anhänger Gefahr. Was folgte, waren hektische Diskussionen zwischen Vertretern der seit einem halben Jahr regierenden interimistischen Verwaltung und den Königstreuen. Am Montagabend lud der Ex-König zu einer Pressekonferenz. An der Seite Karzais verkündete er seinen Verzicht aufs Amt des Staatpräsidenten und gab seine Unterstützung für Karzai bekannt. Dieser Entscheid hat viele Delegierte verärgert. Sie glauben, dass der Exkönig von den gegenwärtigen Machthabern sowie den USA und deren Verbündeten unter Druck gesetzt worden sei und somit der Wille der Delegierten nicht mehr ausschlaggebend sei. Seinen Anspruch zurückgezogen hat auch Tadschikenführer und Expräsident Burhanuddin Rabbani.

Leere Staatskassen

Karzai ist tatsächlich der Favorit der USA und ihrer Verbündeten. Er gilt als vernünftiger Führer, der im Lande für Stabilität sorgen könnte. Und Stabilität ist - nebst internationaler Hilfe - was Afghanistan am dringendsten braucht. Viele westliche Geldgeber verbinden mit ihrer Hilfe die Forderung nach Stabilität. Zwar hat die internationale Gemeinschaft dem kriegsgebeutelten Afghanistan insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollars an Hilfe in Aussicht gestellt. In diesem ersten Jahr sollten es 1,8 Milliarden sein. Davon sind allerdings erst rund 870 Millionen Dollar in Kabul eingetroffen.

Ausser in der Hauptstadt Kabul sind denn auch von der interimistischen Verwaltung bis-her wenig infrastrukturellen Verbesserungen vorgenommen worden. Dafür fehlte bis jetzt schlicht und einfach das Geld. Die Staatskassen sind leer. Tausende von Beamten warten seit Monaten auf ihre Gehälter. Die Situation ist derart prekär, dass der UN-Sicherheitsrat wenige Tage vor dem Beginn der Loya Jirga die UN-Mitgliedstaaten zu Spenden für diese Grosse Ratsversammlung aufrufen musste.

Die Verbesserung der Infrastruktur auf dem Lande ist aber ein wichtiger Schritt hin zur gewünschten Stabilität. Denn in vielen Gegenden sind die Menschen auf die Warlords angewiesen. Die Felder liegen brach, es gibt keine Arbeit. Viele Familien brauchen daher den Sold dieser Kriegsfürsten. Wie immer die neue Regierung aussehen wird: Sie wird vor sehr schwierigen Problemen stehen.


Historisches Treffen des Misstrauens
Grosse Ratsversammlung, Loya Jirga, in Kabul eröffnet - Bei der Rede des Königs fiel der Ton aus


Nach oben 12.06.2002 Appenzeller Zeitung

 

Afghanistans Übergangschef Hamid Karzai und seine Verbündeten versuchten zur Eröffnung der Loya Jirga in Kabul die erzürnten Delegierten mit Gesten zu beruhigen, denn die Vergeltung von Afghanistans König Zahir Shah fiel deutlich aus. Als Ismael Qasimyar, der Vorsitzende der Loya-Jirga-Kommission, gestern mit eintägiger Verspätung den «Nationalen Rat» eröffnete, glänzte der Monarch durch Abwesenheit. Nach der Einführung und dem traditionellen Gebet musste Qasimyar vor den 1700 Delegierten eingestehen: «Falls der König kommt, wird er die Eröffnungsrede halten.» 20 Minuten dauerte es, bis der 86-jährige Zahir Shah hinter dem Mikrofon Platz nahm - gemäss afghanischer Sitte zeigt eine Verspätung, wie wenig Bedeutung einer Versammlung beigemessen wird.

«Volle Unterstützung»

Die Delegiertn während der großen Ratsversammlung

Wortlos hatte der Monarch am Montag zuschauen müssen, als in seinem Namen verkündet wurde, dass er auf das Amt des Staatsoberhaupts verzichten würde. Aber auch gestern konnten die Afghanen bei der Eröffnung nicht hören, was der König, der 1973 abgedankt hatte und im Februar nach 29-jährigem Exil in seine Heimat zurückkehrte, zu sagen hatte. Kaum ergriff der Monarch das Wort, fiel der Ton aus. So konnten nur die 1700 Delegierten und ausländischen Ehrengäste den König hören, als er sagte: «Ich erkläre, dass ich keine Absicht habe, die Monarchie in Afghanistan wiederherzustellen. Hamid Karzai geniesst meine volle Unterstützung als Chef der neuen Übergangsregierung.» Die Frage der künftigen Rolle des Königs hatte während der vergangenen Tage für heftige Turbulenzen gesorgt.

Zornige Delegierte

«Die Stimmung im Zelt ist schrecklich», beschrieb Akram Faizel, einer der Delegierten, die Atmosphäre im Zelt, in dem in den kommenden Tage die Grundlage für den zukünftigen Staat Afghanistan gelegt werden soll. Auch in der Hauptstadt Kabul trauten viele Bewohner der Lage nicht. Die Strassen waren leer - aus Sorge vor möglichen Zwischenfällen. Auch der Zorn in der Loya Jirga wuchs gestern an. Am Morgen traf sich etwa die Hälfte der Delegierten und verlangte, der König müsse erklären, warum er am Montag im Beisein des US-Sonderbeauftragten Salmai Khalilzad den Verzicht auf alle Ämter erklären liess.

Ein ehemaliger Drei-Sterne-General drohte in Kabul gar: «Afghanistan wird sich in einen Fluss des Blutes verwandeln, wenn beschlossen wird, was verkündet wurde.» Hinter dem Ärger über die Behandlung des Königs verbarg sich weniger der Wunsch nach einer Wiedereinführung der Monarchie. Besonders die Paschtunen im Süden des Landes scharten sich um die Figur des Monarchen. Sie hofften so einen Teil des Einflusses in Kabul zurückzuerlangen, den sie mit der Besetzung Kabuls durch die Nordallianz Mitte November und mit Ernennung der Übergangsregierung bei der Bonner Konferenz im Dezember verloren hatten.

Der gebürtige Paschtune Hamid Karzai, der nun mit aller Wahrscheinlichkeit auch als Staatschef für die kommenden 18 Monate ernannt werden wird, hatte sich zunehmend mit der Nordallianz um Verteidigungsminister Fahim angefreundet. Auch sicherte er sich die Unterstützung der Kriegsfürsten, die sich nach der Zerschlagung der Taliban in Afghanistans Provinzen mit Hilfe der vom Westen dominierten «Koalition gegen den Terrorismus» etabliert haben. Doch angesichts des Unmuts unter den Delegierten der Loya Jirga war ihm wohl ebenso wie den Führern der Nordallianz unwohl in der eigenen Haut geworden. Innenminister Yunus Khanuni, neben Fahim der mächtigste Mann der Nordallianz, erklärte gestern plötzlich: «Uns geht es nicht um die Posten. Um das zu beweisen, bin ich bereit, mein Amt als Innenminister aufzugeben.»

«Loya Baba»

Karzai hielt bei seiner Eröffnungsrede sogar ein Trostpflaster für die Getreuen von Ex-König Zahir Shah bereit. «Er wird zukünftig den Titel ‹Loya Baba› (Vater der Nation) tragen. Er soll das künftige Parlament eröffnen dürfen, die Verfassunggebende Versammlung eröffnen und bei den Nationalfeiertagen anwesend sein.» Ob diese Zugeständnisse reichen, das Misstrauen zu zerstreuen, das Karzai samt seinen Bundesgenossen - der Nordallianz, den Kriegsfürsten aus den Provinzen, den Vereinten Nationen und den USA - geschürt hatten, als sie über den Kopf der Vertreter aus Afghanistan und aus dem Exil hinweg handelten, müssen die kommenden Tage zeigen.


Frauen gegen Fundamentalisten

12.06.2002 Neue Luzerner Zeitung

Die Revolutionäre Vereinigung von Frauen in Afghanistan (Rawa) erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen islamische Fundamentalisten und «Banditen», die sich mit Geld und Waffengewalt Zugang zur Loja Dschirga verschafft hätten.

Die Versammlung sei bereits im Vorfeld von «rücksichtslosen und brutalen» Erpressungsversuchen sowie «bösartigen und voreingenommenen Beratern» bestimmt gewesen. «Keinesfalls ist das die Loja Dschirga, auf die unser Volk gehofft hatte», hiess es in einer Erklärung der Rawa.


Gespannte Atmosphäre im Zelt der Loja Dschirga

  12.06.2002 Berliner Zeitung


gespanntes Warten während der großen Ratsversammlung
Mit 32 Stunden Verspätung trat am Dienstag in Kabul die Loja Dschirga, der große Rat, in der afghanischen Hauptstadt Kabul zusammen. Der frühere König Mohammed Zahir Schah hielt die Eröffnungsrede. Darin empfahl er den Delegierten, den Ministerpräsidenten der Übergangsregierung Hamid Karsai zum Präsidenten Afghanistans zu wählen. "Ich möchte meinem Freund Hamid Karsai danken und mitteilen,", sagte Zahir Schah, "dass ich seine Kandidatur unterstütze". Nach dem Rückzug Zahir Schahs und des Tadschikenführers Burhanuddin Rabbani als Kandidaten für das Präsidentenamt war Karsai der einzige Bewerber geblieben.

Zu Beginn der Loja Dschirga hatte der greise Monarch Zahir Schah die rund 1 600 Vertreter der afghanischen Völkerschaften im Versammlungszelt rund 20 Minuten warten lassen - gemäß afghanischer Sitte wird das Ausmaß einer Verspätung als Zeichen dafür gewertet, wie wenig Bedeutung jemand einer Versammlung beimisst.

Noch vor kurzem hatte Zahir Schah durchaus Interesse bekundet, Präsident zu werden. Doch Afghanistans neue Machthaber um Hamid Karsai sowie die Vereinten Nationen hatten den Monarchen vor eine Pressekonferenz gezerrt: Wortlos musste er anhören, als in seinem Namen verkündet wurde, dass er auf das Amt des Staatsoberhaupts verzichte.

Es gibt jedoch noch weitere Anzeichen dafür, dass vor und hinter den Kulissen der Loja Dschirga heftig um Macht und Einflussnahme gerungen wird. Verteidigungsminister Fahim hatte am Montag seinen Geheimdienst auf das Gelände geschickt, wo die Beratungen stattfinden.

Die Agenten schwirrten nach Angaben von Teilnehmern auch am Dienstag noch rund um das Zelt. Wie Fahim mit Kritikern umzugehen gedenkt, machte er dort am Montagabend deutlich. Als eine weibliche Delegierte ihn wegen des Machtgerangels laut kritisierte und ihm vorwarf, er sei für die Zerstörung Afghanistans mitverantwortlich, erteilte Fahim lautstark einen Befehl an sein Begleitkommando: "Schreibt ihren Namen auf, wir werden sie verhaften lassen."

Auch die Beratungen selbst verlaufen in einer sehr gespannten Athmosphäre. "Die Stimmung ist schrecklich", beschreibt Akram Faizel, einer der Delegierten, die Lage im Zelt, wo über die Vergabe wichtiger Regierungsämter sowie die Zusammensetzung des höchsten Gerichts entschieden werden soll.

Am Dienstagmorgen zum Beispiel verlangte etwa die Hälfte der Delegierten, der König müsse erklären, warum er am Montag den Verzicht auf alle Ämter erklärt hatte. Ein ehemaliger Drei-Sterne-General drohte, Afghanistan werde sich "in einen Fluss des Blutes verwandeln, wenn beschlossen wird, was verkündet wurde."

Hinter dem Ärger über die Behandlung des Königs verbirgt sich weniger der Wunsch nach einer Wiedereinführung der Demokratie. Vor allem die Paschtunen im Süden des Landes wollten den Monarchen als Präsidenten. Sie hofften so einen Teil des Einflusses in Kabul zurück zu erlangen, den sie mit der Eroberung der Hauptstadt durch die Nordallianz im November letzten Jahres und die Einsetzung der Übergangsregierung verloren hatten.

Angesichts des wachsenden Unmuts unter den Delegierten beeilten sich die Führern der Nordallianz, die jetzt die Übergangsregierung dominieren, ihre Machtansprüche etwas zu verschleiern. Innenminister Yunus Khanuni, neben Fahim der mächtigste Mann der Nordallianz, erklärte am Dienstag plötzlich: "Uns geht es nicht um die Posten. Um das zu beweisen, bin ich bereit, mein Amt als Innenminister aufzugeben." Bis vor wenigen Tagen hatten seine Beamten noch Delegierte massiv eingeschüchtert. Und Hamid Karsai versuchte zu beschwichtigen. Der König werde zukünftig den Titel "Vater der Nation" tragen, sagte er. Er solle das neue Parlament und die Verfassunggebende Versammlung eröffnen dürfen und er werde bei den Nationalfeiertagen anwesend sein.


Verwirrung um Karsais "Wahl"

  12.06.2002 Bonner Rundschau


Hamid Karsai.

Mit Verwirrung über die Zukunft des amtierenden Regierungschefs Hamid Karsai ist der erste Tag der Loja Dschirga in Afghanistan zu Ende gegangen. Die rund 1550 Delegierten applaudierten dem Vorschlag von Ex-König Mohammed Sahir Schah, Karsai zum Staatspräsidenten zu ernennen.

Damit sei der Vorschlag "angemessen bestätigt", sagte der Chef des Organisationskomitees, Ismael Kasimiar, nach Abschluss der Eröffnungssitzung. Zugleich räumte er ein, die heutige Arbeitssitzung könne "die Dinge noch ändern".

Mit eintägiger Verspätung hatte der frühere Monarch Sahir Schah die siebentägige Ratsversammlung eröffnet. Karsai habe in seinem Amt "Stärken und Gründlichkeit" gezeigt, sagte der Ex-König in seiner Eröffnungsrede: "Ich möchte ihm Erfolg wünschen." Zugunsten von Karsai hatte er am Vorabend seinen Verzicht auf führende politische Ämter erklärt.

Wegen des Streits über die künftige Rolle des früheren Monarchen war der Beginn der Versammlung um einen Tag verschoben worden. Karsai schlug den Delegierten vor, dem 87-Jährigen den Titel "Vater der Nation" zu verleihen und ihm repräsentative Aufgaben zu übertragen. Per Akklamation sei Sahir Schah bereits in seiner Funktion als "Baba" bestätigt, sagte Kasimiar.

Zur Frage nach dem Amt des Staatspräsidenten wollte er vor Journalisten nicht eindeutig Stellung beziehen. "So ist das eben auf einer Loja Dschirga", kommentierte Kasimiar die Verwirrung der Journalisten. Ein enger Berater Karsais betonte dagegen, die Versammlung habe noch nicht abgestimmt, von einer Wahl des Staatspräsidenten könne deshalb keine Rede sein.

Schwere Vorwürfe gegen Karsai erhob der Kriegsherr Padscha Khan. Der frühere König sei zum Rückzug gedrängt worden, klagte Khan. Sahir Schah habe ihm noch am Montag versichert, dass er "seinem Land dienen" wolle. Sollte der Ex-König trotz seiner zahlreichen Anhänger nicht an die Macht zurückkehren, drohe dem Land neue Gewalt: "Überall wird es Schießereien geben, und Ausländer werden hier nicht einen Tag verbringen können."

Innenminister Junis Kanuni erklärte "im Interesse der nationalen Einheit" seinen Rücktritt. Er stelle sein Amt aus Rücksicht auf die ethnischen Gruppen freiwillig zur Verfügung, sagte Kanuni. Auch Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani, der eine Kandidatur als Regierungschef erwogen hatte, zog seine Bewerbung zurück. "Die nationale Einheit ist für mich das wichtigste", begründete er seinen Schritt.

Unterdessen erklärte die Ärztin Masuda Dschalal, sie wolle sich neben Karsai um das Amt des Staatspräsidenten bewerben. Die 35-jährige Mitarbeiterin des Welternährungsprogramms sagte, sie habe bereits mehr als die erforderlichen 150 Unterschriften für eine Kandidatur gesammelt.


Der König und die Kriegsfürsten

  12.06.2002 Berliner Zeitung

 

Hinnerk Berlekamp

Mit keiner Person und keiner Institution verbanden die Afghanen so große Erwartungen wie mit der Loja Dschirga. Die Große Ratsversammlung, deren Delegierte das ganze politische und ethnische Spektrum des Landes repräsentieren, würde einen wirklichen Neuanfang bewirken und neue, nicht in die Gräuel der Vergangenheit verwickelte Führer wählen, hofften sie. Es war ein frommer Wunsch, wie sich jetzt im Streit um Ex-König Sahir Schah zeigte. Das Kartell der Kriegsfürsten, das seit der Implosion der Taliban-Herrschaft mit US-Hilfe die Macht im Lande hält, macht keine Anstalten, seine Positionen preiszugeben.

Um die Eignung oder Nicht-Eignung des greisen Ex-Königs für öffentliche Ämter ging es bei dem Konflikt am allerwenigsten. Entscheidend war, dass eine Bewerbung des Paschtunen Sahir Schah für den Präsidenten-Posten das vorbereitete Personaltableau durcheinander gebracht hätte. Der vom Westen protegierte Übergangspremier Hamid Karsai, ebenfalls ein Paschtune, wäre möglicherweise leer ausgegangen, und ob dann die Absprache, das Amt des Regierungschefs an einen tadschikischen Kriegsfürsten zu vergeben, noch zu halten gewesen wäre, scheint ebenfalls fraglich.

Die für diesen Fall zu erwartenden Spannungen zwischen den verschiedenen Fraktionen hätten aber die USA empfindlich gestört, die in aller Ruhe ihre Jagd nach versprengten Taliban- und El-Kaida-Kämpfern in Afghanistan fortsetzen wollen. Diesen übergeordneten Interessen musste sich die Loja Dschirga unterordnen.


 

Loya Jirga under the shadow of guns and threats


 

As the Loya Jirga (Grand Assembly) takes in hand its activities the majority of our wounded and bewildered people, who have borne the constant blows of the past ten years, seem to be looking at it with disappointed eyes. Disappointed because the Loya Jirga has been convened under the patronage of guns and threats and the corruption of fundamentalists. And by the number of candidates killed during the election process, which is reported by foreign journalists to be at least 8.
According to what the Commission of the Loya Jirga stated, those who have been involved in war crimes and violations of human rights are not qualified for membership in the Loya Jirga. But the reports disclose that many well-respected candidates who were clean of the shame of affiliation with this or that fundamentalist party were rounded up and pushed aside. Based on foreign report such displays of power are more pronounced in Herat under the domination of Ismail Khan who is competing with Hizb-e Wahdat and Shoura-e- Nizar to win the favor of the Iranian regime.
The words below on the mockeries and unreliability of the Loya Jirga are not RAWA's, but those of others:
Even a cursory look at the procedural document issued by the "Loya Jirga Commission" showed that the Northern (Uzbak) and Western (Tajik) districts have been allotted a much higher number of delegates.
A copy of the 1979-81 governmental census and a map produced by the UNDP shows only 12 districts for Badakhshan province and two for Punjshir. Now Badakhshan has been given a total of 28 districts and Punjshir 4. The Loya Jirga Commission adopted the 1996 estimated population at the time the Northern Alliance Rabanni-led government held power only in Kabul and certainly was incapable of carrying out any credible survey in the rest of the country they had no authority. The 1996 estimate were heavily Tajik based.
The Nation, May 11, 2002
All of these reports are allowing our people for the first time to become aware of this shameful and traitorous deceit.
Other well-informed journalists for The News (April 1, 2002) name the universities of Khost, Albironi, Parvan, Bamyan, and Abdullah Bin Masood University as each having demanded their own respective representatives on the Loya Jirga.
And it is still unknown where these universities came from except by the force of the Northern Alliance who imposed them on the Loya Jirga Commission in order to instill yet more of their own elements in the Loya Jirga.
The composition of the Loya Jirga commission is itself unfair and questionable. How is it possible that Musa Tawana, a leader of Jemiat-e-Islami with close ties to Rabbani thinks of anything other than infusing more of his band of traitors into the Loya Jirga? He and others like him could have been real members of the Loya Jirga Commission only if they had exposed the whole truth about the crimes and treasons of insane fundamentalist gangs and without any hesitation cut off affiliation with them.
Meanwhile the so-called Chief Justice Mulavi Fazal Hadi Shinwari who runs a madrasa in Dara Adam Khil says about Gulbaddin:
"Engineer Gilbaddin Hekmatyar and his supporters played a great role in Afghanistan Jehad and therefore deserve to be considered in the coming government. Neither Gulbaddin nor any other body committed crimes and hence there is no reason to impose restrictions on them."
Thus from Mr. Chief Justice's (with apologies for dishonoring other chief justices of the world) point of view, the killings of 50,000 people in Kabul alone from 1992-1996 must have been done by the birds in the sky!
In such a circumstance when the Chief Justice of a ruined country so shamelessly ignores the shedding of blood by Gulbaddin and Co.; when the fundamentalist bandits use guns and money in a show of power to ruthlessly, brutally and widely repress the people; when the UN envoy is encircled by vile-minded and biased advisors and there is no effective UN peacekeeping force how can we expect that the Loya Jirga would be comprised of well-respected, democratic, anti-Jehadi and anti-Taliban people?
The scope of the people's disappointment with the Loya Jirga can be better assessed when its results are seen, but one thing is undoubtedly clear: the Loya Jirga has been polluted by the filth of the fundamentalists, hence by no means is it the Loya Jirga that our people were hoping for.
As RAWA has reiterated, unless the pathogen of fundamentalism is eliminated from the government and all its departments, no development, no institutions and no decisions will be untainted.
Despite all these bitter facts, some are of the opinion that the participation of democratic and anti-fundamentalist forces is still possible; we hope it would be so. The degree of importance of their presence will be most felt when they strongly expose the real nature of the fundamentalists with whom they sit and who want only to give legal status to their heinous crimes.
The Revolutionary Association of the Women of Afghanistan will be in agreement with all those members of the Loya Jirga who confirm their loyalty to democracy and the wishes of the people by taking a staunch stand against all the Jehadi and Taliban bandits.

 

Revolutionary Association of the Women of Afghanistan (RAWA)
June 9, 2002

 

Freedom of Press in Afghanistan?

AP via The Frontier Post
, May 5, 2002 2002
By NIKO PRICE, Associated Press Writer

 

KABUL, Afghanistan (AP, May 4) - With more than 100 newspapers and a new law decreeing freedom of the press, Afghanistan (news - web sites)'s news media have come a long way in the five months since the Taliban were driven from power.
But even as they celebrated World Press Freedom Day on Friday, journalists complained of threats and censorship from the interim government, and many wondered whether Afghanistan, where literacy is estimated as low as 20 percent, can sustain its mushrooming press.
Under Taliban rule, which ended late last year, there were only a few newspapers — all controlled by the government. The Taliban banned television and sent female journalists home.
"For five years, they weren't even allowed to listen to the radio," said Hamida Usman, deputy director of Malalai, a women's magazine. "Now everyone is thirsty to read a newspaper."
The government is publishing 35 newspapers, mostly weeklies, according to Abdul Hamid Mobarez, deputy minister of information and culture. He has received applications for 73 private newspapers, but conceded there might be more.
Alexandre Plichon, coordinator of the non-governmental Afghan Media and Culture Center, estimated Kabul alone has 140 newspapers — "too many," he said.
"Most of these publications will be dead within three months," he said.
Plichon said the main problem is money. Afghanistan's largest newspaper, Kabul Weekly, sells for about 8 cents, but printing costs alone are 69 cents a copy. The rest, for now, is paid by media aid groups.
Some journalists complain of censorship.
The government passed a law in February decreeing freedom of the press. While the law, mostly borrowed from a 1964 constitution, is in many ways progressive, one clause bans coverage of "subjects that could offend Islam," "subjects that could dishonor the people" or "subjects that could weaken the army of Afghanistan."
"The operative word here is `could,'" said Rohan Jayasekera, the Kabul representative for the Institute of War and Peace Reporting.
He cited one magazine whose application for a license was rejected because it listed religion among its topics of interest.
Still, Mobarez, from the Ministry of Information and Culture, said there is no censorship.
"Our journalists are all free. We don't censor. We don't control," he said.
Breshna Nazari, deputy editor of Kabul Weekly, strongly disagrees. In its April 25 issue, his newspaper published an article about Gen. Abdul Rashid Dostum, the deputy defense minister, proposing a government with greater regional autonomy.
Nazari said Mobarez told him that if he publishes another such story, the government will shut down his newspaper. Mobarez confirmed he reprimanded Nazari.
"They have the right to write about any idea. The exception is the integrity of Afghanistan, the security of Afghanistan and the independence of Afghanistan. We can't tolerate that," Mobarez said.
The government also intervened after a reporter from Kabul Television asked about a border dispute during a news conference with interim Prime Minister Hamid Karzai and Pakistani President Pervez Musharraf. Karzai cut off journalist Mohammed Kabir Omarzai before he could finish his question.
The following day, Omarzai said, Information Minister Raheen Makhdoom called him, asking: "Who allowed you to ask that kind of question?"
"I answered, `The freedom of press law.' He said, `This freedom is not for you,' and he hung up," Omarzai said.
The minister was traveling on Friday, and Mobarez said only that he doubted the minister would have spoken like that. Mobarez added, however, that "this wasn't so good a question. It created some trouble."
Omarzai said he was pulled from covering a trip by Karzai to Turkey, and has since received only poor assignments.
"There is no freedom of the press in Afghanistan. I am the example," he said. The government news media continue to dominate the press. Bakhtar, the government wire service, also writes the scripts for government television and radio news.
The agency — and 80 percent of its journalists — worked throughout the Taliban years, and it has been slower than the independent news media in moving toward independent journalism.
"Now I think we are free — not completely, but in some stage," said Khaleel Menawee, Bakhtar's deputy director. "Sometimes we are forced to publish news which in fact is not news. If we don't publish that news, maybe we are dismissed from our posts."
Other agency problems include no working computers, no long-distance phones, only one car for 100 journalists. Most reporters' desks are empty.
Asked how he works, Najibullah, 41, reached into a drawer and pulled out a browning jumble of what appeared to be calculator paper.
"We don't have any equipment, not even a typewriter," said Najibullah, who goes by one name. "We write the news by hand."

 


Afghan laws still repress women
Refusing suitor, leaving husband bring jail time


Chicago Tribune
, April 28, 2002
By Noreen S. Ahmed-Ullah
Tribune staff reporter

KABUL, Afghanistan -- Shazia is only 13. Her voice is barely audible. Around adults, she bites her nails and tugs at her black chiffon scarf, covering her face and hazel eyes.

She is one of the hardened criminals inside the dank and forbidding walls of Kabul's Provincial Jail for women. Her crime: running away from the 45-year-old husband she was forced to marry.

In fact, the jail is filled with teenage girls accused of crimes ranging from falling in love to having illicit affairs, from leaving unbending parents to running away from abusive husbands.

Taliban-style executions may be gone, but Islamic law and rigid cultural traditions persist in Afghanistan. The country still relies on Islamic law dating to the 7th Century.

The U.S.-supported government of interim Prime Minister Hamid Karzai says it still will uphold these laws, although perhaps not as strictly as the Taliban. Islamic laws allow women the right to turn down their parents' choice of husbands, but enforce harsh punishment for sex outside marriage.

Tribal laws, on the other hand, allow relatives to imprison and even kill young women who lose their virginity, bring shame to their family by falling in love with unacceptable suitors or even seek a divorce.

"I want a divorce," said Shazia, who like many Afghans does not have a last name. "My husband beats me. I'm not happy with him."

Taliban punishments halted

In its zeal to enforce Islamic law, the Taliban chopped off the hands of thieves in public stadiums and had family members shoot down murderers. If a woman were to run away from her husband, she, too, would have been executed, said the deputy of security in Kabul, Lt. Gen. Mohammed Khalil Aminzada. A married woman who committed adultery would be stoned to death.

"Right now, we don't do that," Aminzada said. "We put them in prison for three to four months. This is an Islamic society. If we let people do whatever they want, half of society will soon suffer from AIDS."

There is little information about AIDS here, but the World Health Organization reports 10 known cases in Afghanistan.

Aminzada said Kabul's police don't go out of their way to arrest runaways or adulterers unless they feel it will create a threat to security or if family members turn them in.

"Unless people complain, we do nothing," he said.

Among its many tasks, Afghanistan's interim government was supposed to create a commission to plan the rebuilding of the criminal justice system and to restore human rights as part of the Bonn agreement last fall. The commission has yet to be established.

In the absence of new laws, the country's high court has gone back to using the old Shariah laws of Islam, those in place before the Taliban. But they say they will apply them more compassionately.

Since the Taliban's departure, there have been no stonings or whippings. Those punishments could occur again some day, legal officials said, for repeat offenders or if the evidence is strong in a case.

For example, under the strict standard set by Shariah law, a married man or woman will be stoned to death for committing adultery if the accusation can be substantiated by four male eyewitnesses.

Under the Taliban, says the head of Afghanistan's high court, Fazal Hadi Shinwari, they didn't wait for four witnesses.

"It's very difficult to find four witnesses who can confirm the act," said Shinwari, who has a long white beard, a copy of the Koran sitting on his desk and a leather whip hanging on his wall.

"Of course the Taliban executed them without evidence, without any confirmation. They did not use the real Shariah. They just wanted to scare people. We're softer than them," he said.

Being softer in this case means imprisoning women for months or years rather than killing them.

Teen jailed by family

So in the empty, dreary cells of the Kabul Provincial Jail sit young women like Farayba, 19.

She and her lover went to the Taliban, hoping the former rulers would marry them against their families' wishes. Instead, Taliban officials gave them 5-year jail sentences.

When the Taliban abandoned Kabul five months ago, Farayba escaped with 71 other women in the jail.

Her family was relatively wealthy; her father had been a commander in the Ministry of Defense before the Taliban. When she chose to marry a poor man's son, Farayba brought shame to her family, who wanted her to marry a cousin. When she refused, her father, cousins and brothers beat her boyfriend's father.

Fearing for their lives, the young lovers turned again to authorities, this time from the interim government. "The police officials told me to marry my cousin," she said. "I refused and so they said I should serve the rest of my 5-year sentence. I don't think there's any difference between this regime and the Taliban regime."

Families face penalties

Adiba, 14, was forced at gunpoint to marry a 30-year-old Talib who broke into her father's house one night. She says family members in her husband's house tried to force her into prostitution.

When the Taliban left Kabul, she escaped from her husband's home. He, in turn, had her uncle and a cousin arrested, which is why she turned herself in to police.

In this tribal society, badal, or revenge, is a common theme. Often, families can have relatives of the guilty party arrested until the accused turns himself or herself in or pays compensation to the victim's family.

Nasreen, 30, has been in jail for months because her brother-in-law ran off with a girl. The girl's father had Nasreen, a widow with five children, arrested in his place.

In all, there are 14 women in the jail, sharing two tiny cells.

The jail provides only bread and water for most meals. The women buy their own tea and sugar. On good days, a family member may bring meat and rice, which prisoners often share.

The women do little except sit and talk, or perhaps walk in the courtyard. They stare out a window with iron bars and a ripped screen.

Bugs crawl in the reeking cells, where the women sleep with thin mats on the hard ground. Their blankets and pillows have not been washed in months.

Despite everything, some say they would rather be here than out on the streets of Kabul.

                                      "Outside of the jail, they'll be killed by their families," said a jail guard, Khatool.
"They feel it's safer to be in jail."

 


 

Qual bei der Wahl von Präsident Karsai: Die USA mischen kräftig mit
Afghanistans Interimspremier wurde zum neuen Präsidenten gewählt. Die Entscheidungsprozesse waren nicht durchschaubar.


14.06.2002 Presse

MOSKAU/KABUL (win; ag.). In Kabul hatte sich am Donnerstag die Loya Dschirga schon den dritten Tag mit der Wahl des Präsidenten und dem Wahlprozedere abgemüht. Neben Interimspremier Hamid Karsai hatten sich drei andere Kandidaten beworben, darunter auch eine Frau. Schließlich wurde Karsai mit zwei Drittel der Stimmen gewählt. In seiner Rede vor der Ratsversammlung hatte er leidenschaftlich für Sicherheit und Frieden appelliert. "Wir brauchen eine Regierung, die Kontrolle über ganz Afghanistan hat. Das ist unsere große Chance für den Wiederaufbau."

Die Zeit für die Bildung einer Regierung drängt. Beobachter machen für die Ineffizienz vor allem Einmischungsversuche der USA verantwortlich. Rund 70 Delegierte, vor allem Anhänger des Ex-Königs Zahir Schah, haben schon wutentbrannt das Zelt verlassen, in dem die Versammlung stattfindet. "Die meisten von uns fühlen sich an der Nase herumgeführt", so ein Delegierter .

Sie kritisierten, daß die Entscheidungen nicht während der Loya Dschirga fallen würden, sondern in Geheimverhandlun-gen hinter den Kulissen. Die Verzichtserklärung Zahir Schahs sei unter massivem Druck der USA und Großbritanniens zustandegekommen. US-Sonderbotschafter Zalmay Khalilzad hatte die Medien von Zahir Schahs Verzicht informiert, noch bevor der Ex-Monarch seine Erklärung abgab.

Die Amerikaner, meint ein iranischer Diplomat, mißtrauen den Afghanen. Sie seien darum bemüht, Diskussionen auf der Loya Dschirga zu unterbinden, damit keine Pannen passieren. Sie hätten auch Innenminister Yunus Kanuni, der dem Paschtunen Haji Qadir Platz machen soll, zum Rücktritt gezwungen. Dem gegenwärtigen Minister für Städteplanung und Wohnungsbau steht als Gouverneur von Dschalalabad eine Privatarmee von 12.000 Kämpfern zur Verfügung, die von den USA in der Endphase des Kampfes gegen die Taliban aufgerüstet worden ist.


Kabul: Loja Dschirga wählt Karsai zum Präsidenten
Kandidatin Dschalal erzielt Achtungserfolg


14.06.2002 Freie Presse



Der bisherige afghanische Regierungschef Hamid Karsai ist von der Großen Ratsversammlung in Kabul mit überwältigender Mehrheit zum Präsidenten des Landes

gewählt worden. Von den 1551 Delegierten bekam Karsai nach Angaben des Loja-Dschirga-Vorsitzes 1295 Stimmen. Die einzige weibliche Bewerberin um das höchste Staatsamt, die Ärztin Massuda Dschalal, erzielte mit 171 Stimmen einen Achtungserfolg. Der dritte Bewerber Mir Mahsus Nedaji kam auf 89 Stimmen. Karsai rief zu Wiederaufbau, Frieden und Versöhnung auf.

"Der Gewinner dieser Wahl heißt Hamid Karsai", sagte der Versammlungvorsitzende Ismail Kasimiar unter lautem Applaus bei der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses. Insgesamt seien 24 Stimmen mehr abgegeben worden als gewählte Delegierte offiziell anwesend waren. 20 Wahlzettel wurden für ungültig erklärt.

Afghanistan müsse seine einmalige Chance nutzen, mit Hilfe des Auslands den Wiederaufbau zu schaffen, sagte Karsai vor seiner Wahl den Delegierten der Großen Ratsversammlung. Einfache Taliban-Kämpfer sollten nicht verfolgt werden: "Wir müssen zwischen Taliban und Terroristen unterscheiden." In den Landessprachen Paschtu und Dari appellierte Karsai an die Einheit des afghanischen Volkes. Internationale Hilfsleistungen müssten mit "Transparenz und Präzision" eingesetzt werden, betonte er. "Sonst gibt es keine Chance mehr auf ausländische Hilfe für den Wiederaufbau." Ans Ausland gerichtet sagte Karsai, Afghanistan wolle gute nachbarschaftliche Beziehungen mit der ganzen Welt.

Wegen Unstimmigkeiten über die Kompetenzverteilung in der Großen Ratsversammlung sowie wegen organisatorischer Fragen war die Wahl in den vergangenen Tagen mehrfach verschoben worden. Karsai führt das Land nun bis zu Neuwahlen, die spätestens für 2004 vorgesehen sind.

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gratulierte Karsai zu seiner Wahl. "Ich freue mich, dass Sie auch in Zukunft an führender Stelle zum Wohle ihres Landes tätig sein werden", erklärte Schröder in einem Glückwunschschreiben.


Die Sprache des Westens

14.06.2002 Bieler Tagblatt

 

dpa. Hamid Karzai (44), der neue Präsident Afghanistans, spricht die Sprache des Westens ebenso gut wie die der Bauern und der Städter in seiner Heimat. Er hat in Indien studiert, war Unternehmer in den USA und führte eine Miliz gegen die Taliban. Er gehört zum Volk der Paschtunen und ist mit dem Königshaus verwandt, aber er hat schon unter Tadschiken als junger Staatssekretär gedient. I

m langen afghanischen Gewand mit Schaffellhut oder Turban fühlt er sich ebenso wohl wie im westlichen Anzug. Diese Vielseitigkeit kann ihm helfen, Afghanistan nach Jahrzehnten tiefer Zerrissenheit zu einen.

Karzai wurde am 24. Dezember 1957 in Kars nahe Kandahar im Süden Afghanistans geboren. Ausser den afghanischen Sprachen Paschtu und Dari beherrscht er perfekt Englisch und spricht Urdu und Französisch. Während der sowjetischen Besetzung Afghanistans von 1979 bis 1989 baute Karzai in den USA eine Restaurantkette auf und finanzierte den Kampf der Mujjahedin in seiner Heimat mit.

Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen und dem Sturz des letzten kommunistischen Regimes 1992 wurde Karzai Staatssekretär im Aussenministerium. Im Bürgerkrieg ging er 1994 ins Exil nach Pakistan und setzte zunächst Hoffnungen auf die Taliban, die antraten, Afghanistan von den Milizenführern zu befreien. Schon bald wandte sich Karzai aber von den Taliban ab.


Rotes Kreuz soll Bericht über Massaker prüfen
Linksfraktion bringt Vorgang vor das Europaparlament


14.06.2002 Berliner Zeitung



Berichte über ein Massaker an 3 000 von der Nordallianz und US-Truppen in Afghanistan gefangenen Taliban-Kämpfern beschäftigen das Europaparlament in Straßburg. Wie der Vorsitzende der Fraktion der Vereinigten Linken, Francis Wurtz, am Donnerstag mitteilte, wird er im Namen seiner Gruppe das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf um eine Untersuchung bitten. Für die Juli-Sitzung des Parlaments in Straßburg werde er eine Dringlichkeitsdebatte zu den Vorgängen nach dem Fall der Stadt Kundus an die Nordallianz beantragen, kündigte der französische Kommunist an.
Erhoben werden die Vorwürfe in einem Dokumentarfilm des irischen Journalisten Jamie Doran, der in Afghanistan Augenzeugen befragte. Wurtz hob hervor, dass diese Zeugen - Soldaten der Nordallianz, Fernfahrer und Taxi-Chauffeure - unterschiedlichen Volksgruppen angehörten. Sie hätten durch ihre Aussage nichts zu gewinnen, sondern setzten sich im Gegenteil Gefahren aus. Dies verleihe ihren Aussagen durchaus eine gewisse Glaubwürdigkeit.

Nach Ansicht der 42 Mitglieder zählenden Fraktion der Vereinigten Linken, der auch die deutschen PDS-Abgeordneten angehören, sollte die Untersuchung unter die Schirmherrschaft der UN gestellt werden. Das IKRK solle beteiligt werden, weil es bereits Mitarbeiter vor Ort habe. Bei der Suche nach den von den Zeugen genannten Massengräbern in der Wüste müsse "schnell gehandelt werden, damit keine Beweisstücke entfernt werden", sagte Wurtz.


Hamid Karsai steht schwere Aufgabe bevor

14.06.2002 Neue Luzerner Zeitung

Nach langen Reden ist der bisherige afghanische Regierungschef Hamid Karsai von der grossen Ratsversammlung Loja Dschirga zum Präsidenten Afghanistans gewählt worden.

sda/heb. 1295 Delegierte stimmten für Karsai, 171 für die Kinderärztin Masuda Dschalal und 89 für den Beamten Mahfus Nadei. Karsai wird damit bis zu den Parlamentswahlen im Jahr 2004 eines der ärmsten Länder der Welt führen. Er ist dafür verantwortlich, eine neue Verfassung ausarbeiten und die Wahlen vorbereiten zu lassen.
Seit seiner Ernennung zum Chef der Übergangsregierung vor sechs Monaten hat Hamid Karsai an allen Fronten überzeugt. Den Ritterschlag erteilte ihm nun die Loja Dschirga mit der Wahl zum Präsidenten Afghanistans.

Im Ausland akzeptiert
Der 44-jährige Paschtune brachte in Kabul die zerstrittenen Fraktionen der Nordallianz an den Kabinettstisch, in den Hauptstädten der ganzen Welt beeindruckt er Politiker und Medienleute mit Eleganz und fliessendem Englisch. Einige Delegierte kritisierten ihn deswegen als Mann der USA. Erfolg kann Karsai bei der Gestaltung des Übergangs in dem von Krieg und Bürgerkrieg zerrütteten Land weiterhin gut brauchen.
Banditentum, Erpressung und Einschüchterungen vor der Loja Dschirga beweisen, wie zerbrechlich die Institutionen am Hindukusch mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturz der Taliban noch sind. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warnte, einflussreiche Kriegsherren könnten die Posten unter sich aufteilen.
Der frühere König Sahir Schah hat seit seiner Rückkehr aus dem römischen Exil die Integrationsfähigkeit und Überzeugungskraft Karsais schätzen gelernt. Binnen weniger Wochen entstand ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden Staatsmännern, das viele als Vater-Sohn-Beziehung beschreiben.

Breites Vertrauen

Als Spross einer paschtunischen Politikerfamilie, früherer Mudschahedin-Kämpfer gegen die sowjetische Besatzung und Sympathisant der Nordallianz gegen die Taliban geniesst Karsai das Vertrauen der meisten afghanischen Fraktionen. Karsais Handicap ist gleichzeitig sein Vorteil. Er verfügt nur über eine kleine Hausmacht und besitzt keine Privatarmee. Das macht ihn für die mächtigen Kriegsherren in der Provinz akzeptierbar, weil sie Karsais Konkurrenz nicht fürchten.
Sein Grossvater war bis zum Sturz von Sahir Schah Präsident des Nationalrates, der Vater arbeitete als Diplomat. Sohn Hamid ging in Kabul zur Schule, studierte in Indien und arbeitete in den USA.
1982 schloss er sich dem Kampf gegen die sowjetischen Truppen an und leitete von Pakistan aus Militäraktionen der Nationalen Befreiungsfront. Nach dem Fall der prosowjetischen Regierung 1992 wurde er Vize-Aussenminister Afghanistans.

Klar gegen Taliban
Als 1996 die Taliban Kabul eroberten, erwog Karsai zunächst eine Zusammenarbeit mit den paschtunischen Fundamentalisten. Sogar der Posten des afghanischen UNO-Botschafters wurde ihm angetragen. Er schlug das Angebot aber schliesslich mit der Begründung aus, die Taliban seien «ausländische Terroristen» und Marionetten des pakistanischen Geheimdienstes.
Endgültig verschrieb sich Karsai dem Kampf gegen die Islamisten, nachdem 1999 vermutlich Taliban seinen Vater ermordet hatten. Im Oktober vergangenen Jahres kam er nur knapp mit dem Leben davon, als er versuchte, in Südafghanistan einen Aufstand gegen die Taliban anzuzetteln.

Noch viel zu tun
An der Spitze des verarmten Staates bleibt für Karsai eine Menge zu tun. Von den 4,5 Milliarden Dollar, die er der internationalen Gemeinschaft im Januar nach dem Krieg für den Wiederaufbau abtrotzte, sind bislang erst einige Millionen tatsächlich bei der UNO eingegangen.
Vertrauen und Autorität der Kabuler Übergangsregierung reichen über die Stadtgrenzen kaum hinaus. Auch die Internationale Schutztruppe (Isaf) sorgt nur in Kabul für Sicherheit. Afghanistan ist weiter auf die Erfolge seines Hoffnungsträgers angewiesen.

 

 

Afghan power brokers; After 23 years of war, key
players gather to choose a government
Christian Science Monitor
June 10, 2002

 


Ilene R. Prusher, Scott Baldauf, and Edward Girardet

For centuries, Pashtun elders have ruled this way:
Circles of turbaned, robed men sat on dusty carpets,
making their decisions under the wide bowl of the
Afghan sky.

Today, dressed much the same way, and divided by many
of the same regional, ethnic, and ideological
differences of their ancestors, 1,500 Afghan leaders
are gathering in Kabul for their most important loya
jirga - or supreme council - in living memory.

All week, Pashtuns and Tajiks, Hazaras and Uzbeks, and
a myriad of other ethnic groups little known to the
world before Sept. 11 will haggle over their country's
future. Who among them will be chosen to lead the way?
Can they turn a nation sundered by tribalism, Islamic
extremism, resurgent warlords, poverty, and vicious
discrimination against women into a stable, modern
political entity?

Some of the delegates are women, some are refugees.
Some have US college degrees, others are illiterate.
All will be players in what promises to be the most
diverse and closely observed election process in
Afghan history.

Which ethnic groups and leaders will come out on top,
as Afghanistan embarks on this experiment in
representative democracy? Following are portraits of
five of the potential key players who have their hands
on the levers of power - from guns, to money,
religion,
tribalism, and politics. Any one of them - from the
urbane, fluent English-speaking Hamid Karzai, to the
powerful warlord of the southeast, Badsha Khan Zadran
- could help or hinder the loya jirga process, thus
supporting or undermining the effort to remove
Afghanistan from the list of places where terrorists
find a home.

Call him a fighter, but not a warlord

SHEBERGHAN, AFGHANISTAN -
When Abdul Rashid Dostum was
a little boy, a flood swept through his village.
Fearless, the future warlord rushed out to play in the
rising waters. He was later found unconscious far from
home. His exasperated mother began to tether him to
her leg - or to a bedpost - to keep him out of
trouble.

Later, as a schoolboy, he often fought with other
kids, and regularly came home with his shirt in
shreds. So his mother sewed him a thick, wiry mesh
vest, a type of light armor traditionally worn by
Uzbek warriors.

"It was good. It never tore. But the neck was too
tight, and I almost choked," says Dostum, whose steely
browed, stoic countenance cracks into the tiniest grin
at a memory he says he's never shared. "I came back to
my mother and said it wasn't suitable for fighting,"
he laughs. So she simply sewed him another.

But the last thing Dostum, now General Dostum, wants
to be called is a warlord - "because I am not," he
says. "I will never feel hurt if I am called a
fighter. But if I am called a warlord, it hurts me. I
have not just fought for the sake of fighting. I have
always fought for my country's freedom."

Dostum and Afghanistan's many other warlords - the
kinds of men who have ruled this country for centuries
on the basis of tribal, ethnic, and geographical ties
- have had many opportunities to fight in recent
decades. But a love of freedom has not always been
the guiding light of their struggle. A 10-year fight
against the Soviet occupation, which ended in 1989
afforded many of these men the opportunity to obtain
personal armies, political power bases, weapons,
allies, and reputations. But in the post-Soviet years,
shorn of a common enemy, the warlords of Afghanistan
tore the nation apart - and fought a brutal civil war
that opened the door for the Taliban, who were
initially welcomed as a stabilizing influence for an
increasingly fragmented nation.

The Taliban are gone now. And with the world's eyes on
Afghanistan, many warlords have found it difficult to
control their fiefdoms when a central government is
supposed to lead the way to peace.

Dostum says that he has the transition from war
chieftain to peace-loving political power broker
figured out. Now, he argues, his fight is not for
territory, but for Afghanistan's reconstruction.

Some might question whether a man who has spent nearly
a quarter century of leading troops into battle, still
holds sway over 7,000 troops, and recently told them
"after God, I am your boss," is really changing his
stripes, or simply adapting to the necessities of the
day.

An Uzbek who initially entered the Afghan fight
against the Soviet Union in the late 1970s on the side
of the communists, he along with his Jowzjan troops -
named for his province and known as some of the most
ferocious soldiers in Afghanistan - fought both with
the Soviets and later in the six-year civil war
against the various factions of mujahideen - or holy
warriors - who had helped evict the Soviets. As the
1989 to 1995 civil war ground on, Dostum enjoyed an
increasingly ferocious reputation. According to Ahmed
Rashid's book, "Taliban," he once had one of his own
soldiers - accused of stealing - tied to the treads of
a tank and rolled to his death. In one Taliban attempt
to take Mazar-e Sharif in 1997 - and again when they
were retreating last fall - soldiers who might have
surrendered or been captured seem to have wound up in
mass graves. Only last month, prisoners being held in
a jail here were found near starvation.

Then, as now, it would be hard to find anyone who took
a lead role in this country's long war with clean
hands. Dostum also enjoyed lots of foreign support
from neighbors who saw him as a vanguard against the
fundamentalist Taliban. And by allying himself with
the
Northern Alliance, a collection of mostly Tajik-led
fighters in northern Afghanistan, Dostum made a shrewd
choice; backed by the US, the Northern Alliance
eventually overthrew the Taliban last fall. Because of
their international connections, control of Kabul, and
reputation as the most effectively positioned to take
the lead in a post-Taliban government, its members
remain the country's most potent military and
political force. With their reluctant nod of approval,
Dostum reasserted his control over much of northern
Afghanistan, formalized by Afghan interim leader Hamid
Karzai's decision to appoint him as deputy defense
minister and his "special envoy" to the north.

Dostum has emerged to promote himself as what might be
called the moderate man's warlord, who will help bring
peace and prosperity to all of Afghanistan.

"Civilians respect him because he was their only
savior from Al Qaeda and the Taliban. He's very
moderate, and he says that women should play a role,"
says Hasima Mukhalis, a female engineer. "Maybe he
once was a little bit cruel, but that is because the
situation demanded it."

Dostum is the son of poor peasants who was once
embarrassed to go to work in his beat-up shoes. "Now,
he can buy shoes for my whole village," says Mohammed
Said, a supervisor at a gas factory where he once
worked with Dostum. "At that time, no one believed he
would rise to something better in life. He was not
well-educated, and his parents were poor."

Over more than two decades of war in Afghanistan,
Dostum changed alliances many times, showing an almost
uncanny ability to sense which way the wind blew and
to change course when it seemed necessary.

These days, the warm winds that blow gently through
the rose garden where Dostum sits, in the gated and
heavily guarded palace he built in his hometown, seem
to prevail in his favor.

Diplomats from the embassies of various neighboring
countries wait patiently in his sunny courtyard, among
a few of his favorite things: tropical trees,
squawking peacocks, and a swimming pool - turned into
a chortling frog pond under the Taliban's reign.

"He is a good diplomat," says Anil Cicek, the
consul-general of Turkey. "People who have a military
origin often don't have good social skills, but he's
not like that."

In the nearly six months since he was made minister,
Dostum has rarely been in Kabul, except to meet with
Karzai and to develop warm relations with the former
king, who returned to Afghanistan from exile to
oversee this month's loya jirga. Together, they are
considered by some observers to be the three most
powerful men in Afghanistan, and the most likely to
counter the supremacy of the Northern Alliance.

With his calls for democracy and an end to violence,
he has had perhaps more success than any of
Afghanistan's men of military might. A relative state
of security reigns here, sometimes because Dostum runs
his own show, to the point of printing his own
currency. He has two wives - one Uzbek and one Tajik.

In late May, Dostum was named a loya jirga delegate,
and during the delegate election process, popular
support for him was effusive. Young boys carried a
poster of Dostum declaring that it is "time to put
down the gun and pick up the pen." Women inside
the election grounds wore plain headscarves - not
all-encompassing burqas - and said that they have
Dostum to thank.

"I would like to ask you for your support for General
Dostum," a master of ceremonies bellowed over a
microphone to a crowd of thousands. "So who here is
with him?" All raised their hands and cheered. There
was no vote on paper, not even a perfunctory request
for a show of hands for anyone "opposed." Dostum's
seat on the coming loya jirga, his aides explained,
has been secured among the 20 seats reserved for
"important Afghan personalities."

Voters here say they think - and hope - that his
youthful passion for a good fight has mellowed. "In
the '90s, when Dostum had some enmity with one of his
challengers, he didn't just get him. He used to kill
every member of his family," says Ghulan Sadiq, an
elderly man who wears a green and purple striped
tribal robe. "Now, the great warrior has changed very
much. Just as his hair became white, his heart became
white. Before, it was black."

Toll-taker kingpin

HERAT, AFGHANISTAN
- The warlord Ismail Khan holds
court in the great hall of his governor's mansion, a
palace with ornate Louis XV chairs, Turkmen carpets,
and brightly burning chandeliers, in the cultural
center of Herat.

By returning from Iran to help evict the Taliban last
year, Mr. Khan - a Tajik who prefers to be known as a
Farsifan, a Persian speaker - basically regained
control of the jugular vein of Afghanistan's economy.
This is the point through which all goods, legal and
otherwise, come into Afghanistan from Iran and
Turkmenistan.

At the customs post on the road that leads from Herat
to Iran, some 150 trucks loaded with tires, television
sets, and other goods from Iran, as well as 500 mainly
reconditioned cars from Dubai destined for Pakistan
are processed every day. A similar but smaller form of
cross-border activity occurs along the Turkmenistan
frontier.

The Herati leader reportedly earns some $60 to $80
million a year - much of it from the customs duties
from these vehicles entering Afghanistan.

As a result, Herat's unofficial governor has become
financially independent, far more than any other of
Afghanistan's warlords. And with a provincial
government whose budget stands at roughly $1 million a
month, according to aid sources, this means that he is
in the position to purchase significant military
support to bolster his region's autonomy.

Both UN and other observers maintain that Khan's
financial independence will enable him to continue
rebuffing any attempts by the government in Kabul to
assert itself in his areas of control, which include
portions of at least four other provinces in the so-
called Western Region. They believe that the only way
to force Khan into accepting the democratic process is
through concerted action by all concerned, the
Europeans, the Iranians, and, in particular the United
States.

"It is clear that unless the United States is willing
to play a firmer role in pressuring these warlords
nothing is going to happen. They're not going to
listen to the EU or the UN," says one international
observer.

As one of Afghanistan's most effective commanders
during the war against the Soviets in the 1980s, Khan
clearly considers himself a man of the people. After
that war, in which he gained national recognition by
turning on the Soviets and killing several hundred of
their soldiers and families, most locals and many
observers here considered Khan as moderately peaceful
and progressive.

He built a university, for example, and opened trade
with Pakistan and Iran, thereby creating many jobs. He
imposed a moderate form of Islamic law, which required
women to cover their hair, but allowed them to both
work and attend segregated schools.

But when the Taliban captured Herat in 1995, Khan fled
to Iran. He returned in 1997, declaring he would
retake his domain. But he was betrayed by a local
commander who handed him over to the Taliban. Khan
spent three years in a Kabul prison - reportedly
chained to a pipe - before escaping with the help of a
loyal supporter.

But many Heratis say that Khan is not the moderate man
he once was. Some point to his decision to reestablish
a Taliban-like religious police. Women say they are
not regarded as active partners in the reconstruction
process and are still prohibited from appearing in
public without their all-encompassing burqas. And,
unlike in Kabul, there is not a single woman working
at the city's state-run Radio and Television station.

"One of the big problems is Ismail Khan is not
focusing on our needs and our rights," says Permimah,
a high school teacher and participant at a recent
meeting in western Herat Province where women demanded
more seats in the loya jirga. "We want full rights
with men."

"He was once good for Afghanistan," agrees Nuria, a
health worker, speaking about Khan, "but now he is
only in power because he and his men have guns."

"Something must have happened to him during this
period," says Ahmed Rashid, a Pakistani journalist and
author of the seminal book "Taliban." Mr. Rashid, who
has interviewed Khan repeatedly over the past 20
years, remembers him as a moderate with the interests
of his people close at heart.

Khan agrees that Afghans want recovery, particularly
peace and security, but he vehemently dismisses any
notion that Heratis might be afraid of him.

"The people are desperate to find a way out of their
poverty," he says, pointing to a group of women,
cloaked in bright blue burqas, sitting in his great
hall. "Look at those women who have come to see me in
the middle of the night. They are not afraid of our
rule. They are afraid of poverty," he says.

Wielding the Koran with a pro-Western tilt

KABUL, AFGHANISTAN
While some Afghan power brokers
derived their power from money or greed, others pulled
men together by appealing to a more basic spiritual
impulse.

The most effective of these, of course, was Mullah
Muhammad Omar, the radical Taliban leader. But while
some radical Islamists drew power by demonizing
others, within Afghanistan there is an older, more
prominent Islamic tradition of tolerance called
Sufism,
which draws power and unity by emphasizing the
commonalities between different sects, rather than
their differences.

Pir Sayad Ahmed Gailani, who lives in a walled
compound in Kabul, is the top leader of the Sufis.
During the Soviet period, Pir Gailani was one of the
more prominent faces of the Islamic resistance
movement in Peshawar, Pakistan, although hostility
from
Saudi patrons meant his party received less money than
more hard- line Islamist parties such as the
Hezb-I-Islami of Gulbuddin Hekmatyar. Today, he is
leader of the Mohaz I Milli I Islami, or National
Islamic Front, which is staunchly nationalist, hostile
to the
power of mullahs and radical Islamists, and in favor
of restoring the power of King Zahir Shah.

By mixing a more familiar brand of Islam with a more
pro-Western political stance, he hopes that his
participation in the loya jirga will help to drag
Afghanistan away from the militant radical Islam that
has left his country in ruins. He considers radical
Islam to be all but dead here. "Afghanistan is
basically a traditional society," says Gailani, who
favors Armani suits and suede loafers over the
traditional shalwar kameez. "And it was a very wrong
calculation, both for Soviet communists and for Arab
Islamic radicals to think they could reshape it."

"The Arabs pumped billions and billions of dollars
into this country, but if you look at the percentage
of good that they achieved, the result was almost
zero," he smiles. "When the American bombers came, the
Arabs made a disappearing act, almost like putting ice
in the sun."

For centuries, the mystical, intensely spiritual
Sufism was the most prevalent sect found throughout
Central and South Asia, including Afghanistan. Muslim
worshipers would often come to Sufi preachers, or
pirs, because of their reputation for healing through
prayer. And men like Gailani, who comes from a long
line of Sufi preachers, developed a strong personal
following that could rival that of any warlord or
king.

During the time of the more orthodox Taliban, who
ruled from 1996 until last fall, Gailani fled to
Pakistan, and Sufism was repressed as heretical.
Shrines were closed, preachers were jailed or forced
into exile, and Afghans were encouraged to shed the
trappings of Sufi worship, especially the forms of
dance and music that the faithful used to enter a
trance and commune with God. Even today, there are
orthodox leaders in Afghanistan who would like to see
the end of Sufism. Among these are former mujahideen
leader Abdul Rasul Sayyaf, an eloquent Arabic speaker
and staunch orthodox Sunni leader who is thought to be
one of the men who encouraged Saudi families to fund
the fight against the Soviets and later encouraged
Arab fighters to live in Afghanistan.

Perhaps more important is Burhanuddin Rabbani, the
leader of the Northern Alliance and the first Afghan
president to serve after the fall of the Soviet-backed
government. It was President Rabbani who proposed the
radical transformation of Afghan society along
Islamic and Koranic lines, including requirements for
women to wear burqas and strict punishment for crimes,
which were later adopted by the Taliban. And it is
Rabbani who some people believe is the real power
behind the present government.

But for Gailani - who traveled to Afghanistan several
times in the past few years to persuade the Taliban to
moderate their behavior - such radicalism will be
neutralized by the stronger Afghan traditions.

For evidence, he points to a handful of graveyards in
Kandahar and Khost, where dead Al Qaeda fighters are
buried in mass graves after fierce battles last fall.
Local Afghans have turned these graveyards into Sufi
shrines. Women come to the graves and tie
prayer-strings, hoping for the birth of a son. Farmers
pray for better crops. "These guys must be turning in
their graves," chuckles Gailani. "They came here to
eradicate this practice, and now there are people
praying over their graves."

Playing the tribal loyalty card

KHOST, AFGHANISTAN
When jeeps and pickup trucks come
barreling through town, they bear the sullen portrait
of Badsha Khan Zadran on the windshield, as though it
were a registration document.

When Badsha Khan - the most powerful warlord in
southeastern Afghanistan - enters a room, a hush
descends. People make way or stand up as though a
judge were entering a court. Badsha Khan was the first
of the country's many military bosses to challenge
Hamid Karzai outright, despite enjoying a key
cooperative relationship with US-led forces in the war
against Al Qaeda and Taliban fugitives - or perhaps
emboldened by it.

One of Badsha Khan's sons, Abdul Wali Khan, was
content working in the automobile import-export
business in Dubai when his father paid him a visit
last December. But, Abdul Wali, a mild-mannered 20-
something, says his dad made him an offer he couldn't
refuse: Take up the post as commander in the city of
Gardez in his father's army of approximately 3,000
men, or don't call yourself a son of Badsha Khan. "I
told him I didn't want to go back to that bullet
land," says Abdul Wali, who is slighter than his
father - a man in his mid- 50s with the physique of a
long out-of-shape linebacker. "I didn't know what to
do but to accept the orders of my father."

Inside Badsha Khan's inner circles, no one so much as
engages him in debate. Even in the family-run military
business, it's just not the way the chain of command
works. "Whenever Haji [an honorific used for a Muslim
who's made the pilgrimage to Mecca] is sitting
in at a family meeting, no one else will speak," says
younger brother Kamal Khan Zadran, leader of the local
troops in Khost that work with US-led forces. "When he
sits, no one speaks without being asked first. The
only one he's not strict with is his wife," he says.

Filial loyalty is a card Khan plays well. He promotes
himself as the guardian of the "real Pashtuns" - a dig
at the educated and more cosmopolitan Pashtuns like
Karzai. But inside the Pashtun ethnic group, which
makes up about 40 percent of the country, tribes
have rarely been united.

The Zadrans are the largest tribe in southeastern
Afghanistan - important enough that last December
Karzai appointed one of Khan's younger brothers,
Amanullah Zadran, as his minister of borders and
tribal affairs.

But Karzai also tried to sap Badsha Khan's
overambitious power grabs by appointing Abdel Hakim
Taniwal - of the rival Tani tribe - as governor in
Khost. The two men surround their compounds with their
closest relatives - and do not recognize each other's
authority.

In a part of the country where Pashtun tribal ties
override everything from political ideology to Islam,
Badsha Khan says he has thousands of supporters - in
three provinces and beyond - firmly on his side. That
is far more, he says, than the loyalty that Karzai
will ever claim. "He is not a Pashtun. OK, he is, but
he does not take care of the real Pashtuns," says
Badsha Khan, who gives straightforward, confident
answers in a gravely voice that emanates from a huge
chest, bejeweled by an ammunition belt. "I am higher
than him, because I have fought Al Qaeda. I am the one
who helped the US forces."

Indeed, Badsha Khan was the first of the original
mujahideen leaders to storm back into southeastern
Afghanistan when the Taliban showed signs of buckling
under US airstrikes last fall; he had waited out the
last years of the war in Pakistan. Though the Taliban
were also Pashtuns, they are far more fundamentalist,
come from another area, and most important, are not of
his tribe. He lent both men and information to the
US-led forces to help sweep up Al Qaeda and Taliban
remnants in return for funds and training. He then
blamed the US for letting them get away because the US
didn't act on his information quickly enough.

American officials have been subtly backing away from
that partnership. But pulling out the plug completely
may only confirm the feeling among many here that the
US abandons its allies when they are no longer needed,
just as Washington lost interest in the mujahideen
after the Soviet withdrawal.

Badsha Khan feels entitled to run the troublesome
swath of the country where his branch of the Zadran
tribe, the Said Khel, predominate. The many tribal
chiefs who pay homage to his power agree, and together
warn they may stage a boycott of the loya jirga to
protest Tajik predominance at the expense of the
Pashtuns.

One of the trickiest things about power derived from
primacy in a large tribe, though, is that there is
often competition from other tribes or subtribes. The
most important rival for Badsha Khan is Ibrahim
Haqqani, who is now a military commander for Paktia
Province. He is also a Zadran and enjoys great support
from the central government in Kabul. And the name
Haqqani - his brother is Jalal Ud Din Haqqani, the
Taliban's commander for southeastern Afghanistan -
still commands support from some of the area's more
radical fundamentalists.

Though tribal fealty is paramount, some here gripe
privately about wanting a better future and the need
to rebuild - goals that may be tough to achieve with
an aging, unschooled warlord who wants to rule three
provinces both as if by divine right and because he
has
the most guns.

Savvier members of his family pay lip-service to the
idea of melding all of the country's tribal militias
into one national army. But in
reality, anything that smacks of taking away Badsha
Khan's power for the good of the nation is attacked as
the wicked work of the Northern Alliance. Unlikely to
share power, he has decided to buck the system - and
could be a fly in the ointment this week. If he
shows up in Kabul, some analysts say, he could be
arrested. If he stays away, other Zadran may sit out
too, in effect staging a boycott.

The Badsha Khan clan are royalists and have long
campaigned for King Zahir Shah's return, which the
former monarch cannot ignore. And although the
electoral show will probably go on without him, Badsha
Khan's strength and bluster could contribute to
instability in a part of Afghanistan that straddles
the tribal areas of Pakistan - potentially the most
important new front in the US war on terror.

International fundraiser in chief

KABUL - Behind the gates of the presidential palace
here, guarded by fierce-eyed and poorly dressed
Northern Alliance soldiers and a team of American
commandos, is the most unusual man to ever rule
Afghanistan.

Hamid Karzai owes his position not to money, although
he is personally well off. He is not a man of weapons,
a scholar of the Koran, or an elder of a particular
tribe. He owes his job as chairman of the Afghan
interim government to the power of a single idea -
the loya jirga, or supreme council that allows Afghans
to decide their own future government.

Most observers expect he will retain his job as
chairman when the delegates of the loya jirga gather
in Kabul this week to choose their next government.

His popularity springs both from his unwillingness to
cater to any one ethnic group. But most important, Mr.
Karzai's success thus far springs from his ability to
bring desperately needed dollars in international aid
relief, in military and diplomatic support, and in
secure promises from the US that this time,
Afghanistan will not be left to rebuild itself on its
own.

Cool and worldly, Karzai is a former employee of US
oil company Unocal - one of two main oil companies
that was bidding for the lucrative contract to build
an oil pipeline from Uzbekistan through Afghanistan to
seaports in Pakistan - and the son of a former
Afghan parliament speaker. He has been the confident
and earnest face of the Afghan people to the outside
world, and the very antithesis of the wild-eyed
warlord preaching jihad.

"I think the loya jirga is the best instrument for the
further strengthening of the national notion of the
Afghan state," says Karzai, dressed in his trademark
gray shalwar kameez and black sport coat. "A lot of
people are interested in the loya jirga. They want to
do away with the gunmen and warlords and return to
civilization."

A former deputy foreign minister during the first
Afghan government after the fall of the Soviet-backed
regime, Karzai finds his greatest source of support
comes from the US and its coalition against terrorism.
The well-educated Karzai also has established
clout as a fundraiser in chief, a man who can travel
to Germany, Saudi Arabia, Britain, and the US, and
return with millions of dollars in promised aid.

"He is very stubborn about the Afghan nation; he would
not budge an inch about Afghanistan," says Karzai's
brother, Qayum Karzai, a Baltimore restaurateur and
head of Afghans for a Civil Society. "We are quite
fortunate to have him. If anyone has the ability to
frame Afghanistan within the national scope, it is
Hamid."

The crucial moment that shaped Karzai's politics, some
friends say, was the point that jubilant Afghan
militias failed to create an Afghan nation after the
fall of Najibullah in 1992. "All of what happened in
the early 1990s really affected everybody, especially
Karzai," says Muhammad Omar Babrakzai, deputy minister
for frontier and tribal affairs in the current Karzai
administration. "As we see him now, he's determined to
work for a broad-based government with no racial,
ethnic, or tribal dimension. He wants people to
be Afghans."

But some Afghans, particularly members of Karzai's own
Pashtun ethnic group, say that Karzai's influence
extends just to the outskirts of Kabul. Indeed, some
say it barely reaches the mainly ethnic Tajik guards
at his own gate. "Mr. Hamid Karzai is an educated,
bright-minded man and a learned person, he's a mujahed
and a holy warrior," says Amanullah Khan, minister for
frontier and tribal affairs, who considers himself a
friend of Karzai. "But the problem is the people he
keeps around him, about 12 advisers who are not as
qualified as him."

Karzai's advisers, Mr. Khan says, are members of the
Northern Alliance led by former President Rabbani, an
ethnic Tajik. It was these men, he says, who advised
Karzai to replace Khan's own brother, the warlord
Badsha Khan, with another governor in the provincial
capital of Gardez in southeastern Afghanistan.

"Hamid Karzai is the legitimate leader of Afghanistan
for six months, and whatever he has to do to initiate
agreement, he has to do," says Khan. "Otherwise, if he
is misled, he will face the music which other leaders
have faced over the last 23 years."

Whether all this talk is the usual grumbling found in
any democracy or the opening salvo in yet another
divisive struggle may be seen in the coming weeks and
months. But Karzai says the country has already taken
decisive steps away from its dreadful past. "The
country is peaceful again, the refugees are returning
in large numbers, and that is a very good sign," he
says. "It's a beginning.... I think the foundation
steps toward the participation of Afghans in their
government is being laid."

What role each of these men will play in the new
Afghanistan, after the loya jirga is held June 10 to
16, has yet to be seen. Dostum, Karzai, and Gailani
have all committed to supporting the results of the
loya jirga. Badsha Khan says he will boycott the loya
jirga, and Ismail Khan, who hasn't been accepted by
Kabul as Herat's governor, also remains an enigma.

Whatever the results of the loya jirga, it will be in
the hands of men like these. They can make a new drive
toward democracy, electing 111 representatives out of
the 1,500 to constitute a legislative body. Or, they
could reinstitute a constitutional monarchy. The
possibilities are as wide open as the big Afghan sky
that was once the only roof a jirga needed.


Nordallianz blockiert Regierungsbildung
Frustration prägt afghanische Loja Dschirga


  19.06.2002 Berliner Zeitung

 

Afghanistans Übergangspräsident Hamid Karsai hat große Probleme, ein Kabinett zu bilden. Am Dienstagnachmittag trat er vor die mehr als 1 600 Delegierten und vertröstete sie erneut: "Wir haben noch keine Vereinbarung. Ich brauche noch bis morgen Nachmittag, um ein Kabinett zu bilden. Aber dann können wir auch gleich den Amtseid ablegen." Er entschuldigte die Verzögerung mit dem Versuch, die Zahl der Minister zu reduzieren.
Nach Informationen der "Berliner Zeitung" bereiten in Wirklichkeit die Ansprüche der Nordallianz die größten Probleme. So will Innenminister Khanuni zwar auf seinen bisherigen Posten verzichten, fordert aber im Ausgleich das Finanzministerium. Diesen Wunsch will ihm Karsai nicht erfüllen, weil er das Amt mit einem Kandidaten besetzen möchte, der Respekt im Ausland besitzt. Verteidigungsminister Mohammed Fahim fordert zusätzlich zu seinem bisherigen Posten die Ernennung zum Stellvertreter Karsais. Andere Gruppierungen beharren aber darauf, dass jede Person nur einen Posten bekleiden solle. Bisherige Kabinettsmitglieder haben Hamid Karsai bereits empfohlen, den US-Präsidenten George W. Bush anzurufen und mit Rücktritt zu drohen, wenn die Nordallianz ihre Ansprüche nicht aufgibt. "Schließlich hat Washington diesen Leuten zur Macht verholfen", so die Begründung.

Dass Karsai mit Rücktrittsgedanken spielt, machte er während seiner kurzen Rede am Dienstagnachmittag deutlich: "Wenn wir das Kabinett nicht so perfekt bilden, dass alle Afghanen zufrieden sind, hat es keinen Zweck weiterzumachen." Wie wichtig die Haltung der USA inmitten des zwischen Parteien, Kriegsfürsten und demokratischen Kräften zersplitterten politischen Spektrums ist, zeigt der Satz eines hohen UN-Funktionärs am Rande der Konferenz: "Washington ist die stärkste Fraktion in Afghanistan."

Raketen auf das Stadtzentrum

Um eine Regierung zu Stande zu bringen, versuchte Karsai in den letzten Tagen nicht nur, die Kriegsfürsten der Provinzen für sich zu gewinnen. Am Montag warb er unverblümt um die Unterstützung der islamischen Fundamentalisten, die ebenfalls in der Loja Dschirga vertreten sind. Er gab seiner Übergangsregierung plötzlich den Beinamen "islamisch" und erklärte, dass die Justiz sich auf die "Schariah", die islamische Gesetzgebung, gründen würde. "Das Zivil- und Strafrecht wird auch zukünftig auf der Verfassung von 1964 beruhen", ruderte sein wichtigster Berater Ashraf Gani anschließend zurück, "es wird keine Rückkehr zu Amputationen und öffentlichen Hinrichtungen wie zu Zeiten der Talibanmilizen geben." Die Verfassung von 1964, die als überaus liberal für ein islamisches Land galt, wurde von den Taliban abgeschafft, bei der Bonnkonferenz Anfang Dezember aber wieder in Kraft gesetzt.

Die Versammlung, in der Afghanen nach 23 Jahren Krieg erstmals in aller Offenheit Meinungen ausdrückten, droht in Enttäuschung und Frustration zu enden. Man tagt schon drei Tage länger als geplant. Selbst die Uno verliert die Geduld und will "ab Mittwoch nicht mehr für die Kosten aufkommen". Am Abend wurden zwei Raketen auf das Kabuler Zentrum abgefeuert. Sie explodierten in der Nähe der US-Botschaft, niemand wurde verletzt. Es war der erste derartige Zwischenfall während der Loja Dschirga.

 

Afghan Masud's brother wants more Russian influence in Afghanistan
BBC Monitoring South Asia - Political
London
May 17, 2002
 
The Islamic State of Afghanistan's [referred to ousted President Rabbani's
regime] new ambassador extraordinary and plenipotentiary to Russia, the
brother of Ahmad Shah Masud, military leader of the Northern Alliance [defence
minister in Rabbani's regime] who perished at the hands of international
terrorists, began his work in Moscow two months ago. Ahmad Zia Masud graciously
consented to give his first interview with the Russian press to Izvestiya
columnist Aleksandr Khokhlov.

[Khokhlov] Mr Masud, you returned from Kabul the other day. What is
now happening in Afghanistan?

[Masud] The country is preparing for the most important event in its
recent history: the Loya Jerga. At this assembly on 19 June the state's
transitional government will be elected. Elections for delegates are now
being held in every province of the country. Within 18 months this government
will have to work out and adopt a new constitution for the country and
set the stage for general democratic elections.

[Khokhlov] Are there any forces in Afghanistan capable of preventing
the Loya Jerga from taking place?

[Masud] No. Every stratum of Afghan society, every ethnic group and
political party, is awaiting the Loya Jerga. Neither Mola Omar, the head
of the Taleban, nor [former Prime Minister Engineer] Golboddin Hekmatyar,
the eternal opposition figure, has real power or support from the people.
Although I do not rule out the possibility that they might try to carry
out some action to destabilize the situation. A month and a half ago a
group of Hekmatyar's supporters were arrested in Kabul. These people were
planning to carry out several terrorist acts in the capital. A lot of weapons
and explosives were confiscated from them. As they say in my country, Hekmatyar
always "took the left-hand path". He may be capable of carrying out some
minor dirty tricks, but he will never be able to seize power. Like the
Taleban, he has faded from the political scene.

[Khokhlov] But the Taleban are not completely defeated, they have only
been scattered. Mola Omar and Bin-Ladin might still be alive, and in a
number of provinces the governors that were appointed by the Taleban are
still in power.

[Masud] The Taleban no longer pose a national threat. They never had
the people's support, and now they do not even have so much as a social
foundation. The Taleban have lost the government structures. Mola Omar
is hiding somewhere in the mountains by the Pakistani border. The Americans
believe that Bin-Ladin was killed during the bombing in the Tora Bora region,
though there is no hard evidence of this. There are still some isolated
centres of resistance in the east and southeast of Afghanistan. The Taleban
might engage in military actions in these areas in the summer, but they
will not be able to pose a serious threat to the new authorities.

[Khokhlov] What about Al-Qa'idah?

[Masud] The situation with Al-Qa'idah is more serious. According to
my information, it still has bases in Pakistan. The organization continues
to enjoy real support from a number of extremist groups with an ultra-radical
bent in various countries. But Al-Qa'idah is not an Afghan problem. It
came to my country from outside. Al- Qa'idah is a threat to the whole world.
In this regard it is surprising that the international community remains
loyal to certain countries' authorities and intelligence agencies who support
this group.

[Khokhlov] Mr Masud, Afghanistan was promised significant financial
aid at the Bonn Conference for rebuilding its economy. Is the country receiving
any money?

[Masud] They promised a lot, but the country is not yet receiving practical
assistance. We are still waiting. There are some international NGO's operating
in Afghanistan, but the scope of their activity is insignificant. After
23 years of constant war, we do not have our own sources of finance to
rebuild our economy. Poverty and the backwardness of the people were among
the main reasons why international terrorists were able to turn Afghanistan
into their main military base. Hungry people went to serve in the Taleban's
army for a piece of bread. Terrorists cannot be defeated by military means
- by bombs - alone. It is essential to raise the standard of living of
the Afghan people, to give people work and bread. Then we will have effective
means for eradicating the social foundation of terrorism. But it is clear
that not everyone in the world understands this.

[Khokhlov] What kind of assistance do you expect from Russia?

[Masud] We understand your domestic problems and do not expect money
from you. There are other possibilities for cooperation between Russia
and Afghanistan. The USSR built a lot of very important industrial facilities
for us. Now they have been destroyed. We are hoping for Russia's assistance
in restoring them. Afghanistan also hopes that the Russians will help us
to create a national army and police force and to train specialists for
these security departments.

[Khokhlov] Is Russia doing anything already?

[Masud] So far Russia continues to study the situation in Afghanistan....

[Khokhlov] But you think that Russia should return to Afghanistan?

[Masud] Many states around the world are now trying to establish their
spheres of influence in Afghanistan. We have always had a complex relationship
with Pakistan, but right now the Pakistani authorities are using every
means not to let go of Afghanistan. The same can be said of other countries.
If Russia does not influence events in Afghanistan, the balance of power
in the region will be upset. If this happens, both your country and mine
will lose a great deal. Another aspect: The international organizations
operating in Afghanistan are attracting a lot of young and talented Afghans
to work with them. They are educating and training them. Tomorrow these
young people will be shaping the country's political and economic development.
Why is everybody devoting time to our youth except the Russians?

[Khokhlov] Afghanistan was long referred to as a "country of field commanders".
To what extent is your country united today?

[Masud] It could not have been otherwise with a centre that was both
politically and militarily weak. Now a totally different situation is evolving.
The field commanders are losing their power in the provinces and submitting
to a united centre. If external forces do not support individual commanders
and governors for the sake of achieving their own aims, the process will
continue more actively. It is the international community's duty to stave
off any external influence on Afghanistan's internal affairs. We will sort
things out for ourselves. Strengthening Afghanistan's central government
is in the interests of the entire world.

[Khokhlov] Your prediction: Who might head the new government?

[Masud] The realistic candidates are Hamed Karzai; Professor Borhanoddin
Rabbani; my brother, Ahmad Wali Masud; and former King Zaher Shah. Although
the situation with the former king is not yet entirely clear. There were
declarations that he might take up the post. Then, that he did not have
aspirations to power.... In any case, it is for the people to decide at
the Loya Jerga.

[Khokhlov] Mr Ambassador, a personal question for you: Was it your own
wish to represent Afghanistan in Russia?

[Masud] My late brother Ahmad Shah Masud had very good relations with
Russia. Your country helped us in the most difficult days of national resistance
to international terrorism. In light of all of this, I made the decision
to go to Russia. It was my personal choice, and Hamed Karzai, the head
of the interim government, supported it. I have an interest in continuing
my brother's cause and making my own contribution to the development of
good relations between our two countries.

[Khokhlov] Ahmad Shah Masud was well known in Russia, but we hardly
know anything about you.

[Masud] I was born in Parwan Province on 1 May, 1956. I graduated from
a French Lycee in Kabul and did three years at a polytechnic institute.
Then Soviet troops entered Afghanistan.

[Khokhlov] Did you fight?

[Masud] I was a field commander and fought against Soviet troops, but
not against the Russian people.

[Khokhlov] What kind of family do you have, and where is it?

[Masud] I have four children. My eldest daughter is 16; my other daughter
is 14; my son is 12; and one month ago I had another daughter - her name
is Yasemin. My family lives in the United Arab Emirates, but they will
soon come to Moscow.

[Khokhlov] Which languages do you know?

[Masud] French and English. I want to learn Russian. I have already
begun to study it.

 


Nordallianz erschwert die Kabinettsbildung

19.06.2002 Basler Zeitung

 


Kabul. Afghanistans Regierungschef Hamid Karzai hat grosse Probleme, ein Kabinett zu bilden. Am Dienstagnachmittag trat er vor die mehr als 1 600 Delegierten der Loya Jirga und vertröstete sie erneut: «Wir haben noch keine Vereinbarung. Ich brauche noch bis morgen Nachmittag, um ein Kabinett zu bilden. Aber dann können wir auch gleich den Amtseid ablegen.» Er entschuldigte die Verzögerung mit dem Versuch, die Zahl der Minister zu reduzieren.

Laut Informationen der BaZ bereiten in Wirklichkeit die Ansprüche der Nordallianz die grössten Schwierigkeiten. Innenminister Yunus Khanuni will auf seinen bisherigen Posten verzichten, verlangt aber im Ausgleich das Finanzministerium – ein Wunsch, den Karzai nicht erfüllen will, weil er das Amt mit einem Kandidaten besetzen möchte, der im Ausland Respekt geniesst. Verteidigungsminister Mohammed Fahim fordert zusätzlich zu seinem bisherigen Posten die Ernennung zum Stellvertreter Karzais. Andere Gruppierungen beharren aber auf dem Standpunkt, dass jede Person nur einen Posten bekleiden soll.

Droht Karzai bald mit Rücktritt?

Gemäss Informationen der BaZ haben bisherige Kabinettsmitglieder Hamid Karzai empfohlen, den US-Präsidenten George W. Bush anzurufen und mit seinem Rücktritt zu drohen, wenn die Nordallianz ihre Ansprüche nicht aufgibt. «Schliesslich hat Washington diesen Leuten zur Macht verholfen», begründete ein Minister am Dienstagabend den Vorschlag.
Dass Karzai persönlich mit Rücktrittsgedanken spielt, machte er während seiner kurzen Rede am Dienstagnachmittag deutlich: «Wenn wir das Kabinett nicht so perfekt bilden, dass alle Afghanen zufrieden sind, hat es keinen Zweck, weiterzumachen.» Wie wichtig die USA inmitten des zwischen Parteien, Kriegsfürsten und demokratischen Kräften zersplitterten politischen Spektrums sind, lässt ein hoher UNO-Funktionär am Rande der Konferenz erkennen: «Washington ist die stärkste Fraktion in Afghanistan.»
Aber die Kabinettsbildung ist nur eines von vielen Problemen. Seit Tagen beharrt Übergangspräsident Karzai darauf, dass er sein Kabinett bei der Loya Jirga nicht zur Wahl stellen muss. Doch die USA geben nicht nach. «Die Minister brauchen die Zustimmung der Versammlung», erklärte gestern Washingtons Sonderbeauftragter für Afghanistan, Salmai Khalilzad.
Bis gestern hatte die Loya Jirga einzig Karzai zum neuen Chef der Übergangsregierung gewählt, die das Land während der kommenden 18 Monate verwalten soll. Die Versammlung zieht sich schon drei Tage länger hin als geplant, und die Delegierten sind frustriert. Selbst die Vereinten Nationen, die Afghanistans «Nationalen Rat» vorbereitet und finanziert haben, verlieren die Geduld. Sie wollen ab Mittwoch nicht mehr für die Kosten aufkommen. Laut Schätzungen soll die Loya Jirga täglich zwischen 150 000 und 200 000 Dollar verschlingen. Willi Germund


 Nordallianz bedrängt Karzai

19.06.2002 Appenzeller Zeitung



Die Debatten in der Loya Jirga waren auch gestern sehr engagiert.

Loya Jirga in Kabul zum zweiten Mal verlängert
Der afghanische Präsident Hamid Karzai ist gestern in der Loya Jirga, der Grossen Ratsversammlung, in Kabul erstmals auf offenen Widerstand gestossen. Die Delegierten beharrten auf der Wahl eines Übergangsparlaments bis zu den in anderthalb Jahren geplanten Wahlen.

Karzai hat die Beratungen der Grossen Ratsversammlung gestern zum zweiten Mal um einen Tag verlängert. Die Sitzung hätte schon am Wochenende beendet sein sollen. Die Verlängerung gebe den Delegierten auch Gelegenheit, nochmals über das Übergangsparlament nachzudenken, sagte Karzai. Die Delegierten der Loya Jirga bestanden gestern darauf, selbst ein Übergangsparlament zu bestimmen.

Karzai hat auch grosse Probleme, ein neues Kabinett zu bilden. Gestern Nachmittag vertröstete er die mehr als 1600 Delegierten erneut: «Wir haben noch keine Vereinbarung. Ich brauche noch bis morgen Nachmittag. Aber dann können wir auch gleich den Amtseid ablegen.»

«USA - die stärkste Fraktion»
Seit Tagen beharrt Karzai auch darauf, dass die Loya Jirga sein Kabinett nicht bestätigen müsse. «Das ist nicht notwendig», sagte sein Sprecher Tayyab Jawad noch gestern Morgen. Doch dann fielen ihm ausgerechnet die USA in den Rücken: «Die Minister brauchen die Zustimmung der Versammlung», erklärte Washingtons Sonderbeauftragter für Afghanistan, Salmai Khalilzad, am Mittag. Wie wichtig die Haltung der USA inmitten des zwischen Parteien, Kriegsfürsten und demokratischen Kräften aufgesplitterten politischen Spektrums ist, zeigt der Satz eines hohen UNO-Funktionärs am Rande der Konferenz: «Washington ist die stärkste Fraktion in Afghanistan.» Seit Tagen versucht Karzai hinter verschlossenen Türen, bei der Besetzung der Ministerposten einen tragfähigen Kompromiss zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen Afghanistans auszuhandeln. Der Einfluss der von den Tadschiken dominierten Nordallianz, die seit der Vertreibung der radikalislamischen Talibanmilizen die Sicherheitskräfte kontrollieren, soll zurückgedrängt werden. Amin Farhang, Minister für Wiederaufbau, hatte schon vor einigen Tagen erklärt: «Jeder Posten, der von Tadschiken geräumt wird, muss durch Paschtunen ersetzt werden.»

Ansprüche der Tadschiken
Die Nordallianz hat bisher die Schlüsselministerien Inneres, Verteidigung und Äusseres besetzt. Innenminister Khanuni ist bereit, auf seinen Posten zu verzichten, verlangt aber dafür das Finanzministerium - ein Wunsch, den Karzai nicht erfüllen will, weil er das Amt mit einem Kandidaten besetzen will, der im Ausland respektiert werde. Verteidigungsminister Mohammed Izaq Fahim fordert zusätzlich zu seinem bisherigen Posten die Ernennung zum Stellvertreter Karzais. Andere Gruppierungen in Kabul beharren aber auf dem Standpunkt, dass jede Person nur ein Amt bekleiden solle. Nach unseren Informationen haben bisherige Kabinettsmitglieder Karzai empfohlen, US-Präsident Bush anzurufen und mit seinem Rücktritt zu drohen, wenn die Nordallianz ihre Ansprüche nicht aufgebe. «Schliesslich hat Washington diesen Leuten zur Macht verholfen», begründete ein Minister gestern Abend diesen Vorschlag.

Werben um Islamisten
Am Montag hatte Karzai unverblümt um die Unterstützung auch der islamischen Fundamentalisten geworben, die ebenfalls in der Loya Jirga vertreten sind. Er gab der künftigen Übergangsregierung plötzlich den Beinamen «islamisch» und erklärte, dass die Justiz sich auf die «Scharia», die islamische Gesetzgebung, gründen werde. «Das Zivil- und Strafrecht wird auch künftig auf der Verfassung von 1964 beruhen», ruderte sein wichtigster Berater Ashraf Gani kurz darauf zurück, nachdem sich insbesondere die deutsche Regierung besorgt über diese Ankündigung geäussert hatte. «Es wird keine Rückkehr zu Amputationen und öffentlichen Hinrichtungen wie zu Zeiten der Taliban geben.» Die Verfassung von 1964, die als überaus liberal für ein islamisches Land galt, war von der radikalislamischen Bewegung abgeschafft, an der Bonner Afghanistan-Konferenz Anfang vergangenen Dezember aber wieder in Kraft gesetzt worden. Selbst die UNO, welche die Grosse Ratsversammlung vorbereitet und finanziert hat, verliert die Geduld. «Wir haben mitgeteilt, dass wir ab Mittwoch nicht mehr für die Kosten aufkommen.» Laut Schätzungen soll die Loya Jirga, deren Vorbereitung acht Millionen US-Dollar gekostet hatte, täglich zwischen 150 000 und 200 000 Dollar verschlingen.


Berlin warnt Kabul vor Einführung der Scharia

19.06.2002 Süddeutsche Zeitung

 

Kabul/Berlin (dpa/AP) – Die Ankündigung des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, die islamische Rechtsprechung (Scharia) einzuführen, hat in der Bundesregierung große Besorgnis ausgelöst. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) warnte die in Kabul tagende Ratsversammlung Loja Dschirga am Dienstag vor einem Rückfall in fundamentalistische Positionen. „Alle, die in Afghanistan politische Verantwortung tragen, stehen in der Pflicht, die Menschenrechte zu sichern und die Rechte der Frauen zu stärken“, erklärte sie. Ein Rückgriff auf die Scharia mit ihren zum Teil drakonischen Strafen würde das Land vom Weg zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abbringen, auf den es sich im Petersberger Abkommen im Dezember verpflichtet hatte, sagte Wieczorek-Zeul. In der Umgebung Karsais war zugesichert worden, dass die Einführung der Scharia nicht bedeute, dass in Afghanistan Dieben künftig wieder die Hand amputiert wird oder Ehebrecherinnen gesteinigt werden. Religiöse Führer hatten die Ausrufung einer islamischen Republik gefordert.

Die Loja Dschirga leistete am Dienstag erstmals offen Widerstand gegen Präsident Karsai. Die Delegierten lehnten seinen Plan ab, statt der Wahl eines Übergangsparlaments durch die Versammlung in den Regionen des Landes Repräsentanten wählen zu lassen. Diese sollten dann unter anderem über die Modalitäten der in eineinhalb Jahren geplanten Wahlen befinden. Die Teilnehmer der Ratsversammlung bestanden jedoch darauf, selbst ein Parlament zu wählen. Versammlungspräsident Ismail Kasimjar schlug daraufhin vor, zunächst je zwei Vertreter für die 32 Provinzen zu wählen. Außerdem sollte die Loja Dschirga jeweils einen Repräsentanten für je 20 Delegierte sowie 15 Frauen bestimmen. Dadurch würde ein Übergangsparlament mit etwa 160 Mitgliedern entstehen. Es war zunächst nicht abzusehen, ob das vorgeschlagene Verfahren von der Loja Dschirga akzeptiert werden würde.

Präsident Karsai bat die Delegierten um einen weiteren Tag Zeit, um „ein gutes Kabinett“ zusammenstellen zu können. Er wolle ein Kabinett aufstellen, das für alle Beteiligten akzeptabel sei, sagte Karsai. Hierbei müsse er sehr behutsam vorgehen. Der Präsident schlug vor, die Loja Dschirga auf Mittwochnachmittag zu vertagen. Bei der Zusammensetzung der Regierung gilt es vor allem, die Volksgruppen Afghanistans angemessen zu berücksichtigen. Die Bevölkerungsmehrheit der Paschtunen hat sich stets darüber beklagt, von der Minderheit der Tadschiken schikaniert zu werden.

 

Land unter in Afghanistan Alle Artikel zum Thema

Afghanistans politischer Neuanfang sollte Freiheit und Stabilität bringen, das Land in die Moderne leiten. Die Chance ist verspielt - Kommentar

Von Sophie Mühlmann

Dafür hat also der Westen die gebeutelten afghanischen Menschen von der Schreckensherrschaft der Taliban befreit: Um nun zu erleben, wie sich die neue Zentralregierung selbst um ihren Einfluss bringt. Die Loja Dschirga sollte Afghanistans Weg zur Demokratie ebnen. Aus dem wilden Chaos rivalisierender Volksgruppen und machtbesessener Kriegsfürsten sollte eine Nation gegossen werden. Doch dieses hehre Ziel haben sich die Protagonisten selbst verbaut.

Die wichtigsten Personalentscheidungen standen von vornherein fest. Das einseitige Machtgefüge der Übergangsregierung ändert sich um keinen Deut. Die Loja Dschirga hat nicht einmal den schönen Schein zu wahren vermocht. Die Macht ist verteilt. Und so werden erneut die zur Minderheit, die eigentlich - so war es zugesichert - gleiche Rechte erhalten sollten.

Die Loja Dschirga lässt ihre Maske fallen und enthüllt ihr wahres Gesicht. Afghanistans Traditionsinstanz ist nichts weiter als eine Mogelpackung, die Selbstbestimmung für alle verspricht, aber nicht einmal eine Legitimation für die Entscheidungsträger zu schaffen vermag. Damit hat sie ihr Ziel verfehlt.

Es wäre naiv zu glauben, dass alle Afghanen gemeinsam über ihre Zukunft entscheiden sollten und könnten. Das Chaos im Vorfeld und der tumultartige Ablauf der Versammlung spricht für sich. Aber die Delegierten sollten in der Lage sein, den fortschreitenden Prozess abzusegnen, die Beschlüsse der Entscheidungsträger zu ratifizieren, damit es vorwärts gehen kann in Afghanistan.

Das Problem liegt jedoch nicht so sehr in der Unfähigkeit der Abgeordneten. Es liegt in der mangelnden Autorität ihrer Führer. Die Tadschiken, die die Schlüsselministerien kontrollieren, sind allzu verhasst. Und Karsai hat keine eigenen Truppen und damit nur wenig Hausmacht. Er ist auf mächtige Verbündete angewiesen und muss Zugeständnisse machen. Dass nun die Scharia eingeführt wird, ist nur einer der hässlichen Nebeneffekte der Schwäche des neuen Präsidenten.

Hohle Lippenbekenntnisse und falsche Versprechungen - mehr hat die Große Ratsversammlung nicht gebracht. Die Männer und Frauen Afghanistans können nicht anders als enttäuscht reagieren. Was wird sie nun davon abhalten, alle Hoffnungen in Kabuls Zentralregierung fahren zu lassen und sich resigniert wieder den Warlords und Regionalfürsten zuzuwenden?

Afghanistans politischer Neuanfang sollte Freiheit und Stabilität bringen, das Land in die Moderne leiten. Die Chance ist verspielt. Die Loja Dschirga hat keinen Fortschritt gebracht, sie ist ein Rückschritt für Afghanistan.

Die Autorin erreichen Sie unter: muehlmann@welt.de

Ratlosigkeit nach dem großen Rat Alle Artikel zum Thema

Der neue afghanische Staatspräsident muss ein konsensfähiges Kabinett zusammenbekommen. Was er dabei an Befindlichkeiten beachten muss - Kommentar

Von Sophie Mühlmann

Hamid Karsai, der Protegé der USA, wird afghanischer Staatspräsident. Ob jedoch mit dieser Entscheidung der Loja Dschirga Afghanistans demokratische Wiedergeburt eingeläutet wird, ist ungewiss. Die Hoffnung der Afghanen in die große Ratsversammlung war groß. Sie erwarteten ein ausgewogenes Machtverhältnis der Ethnien. Das Ergebnis ist für viele enttäuschend, bleiben doch überwiegend die an der Macht, die von den USA vor rund sechs Monaten eingesetzt wurden. Schnell kommt da in der Bevökerung das Gefühl auf, um das Recht auf Mitbestimmung betrogen worden zu sein. Für die Mehrheit der Afghanen wäre Ex-König Zahir Shah der einzige Kandidat gewesen, der wirklich alle Volksgruppen verbindet. Er gilt als Symbol für Einheit und Zivilisation, an seine Herrschaft erinnern sich die Menschen als eine Zeit des Friedens. Dass die USA den Monarchen nun dazu gebracht haben, seine Kandidatur zurückzuziehen, hat Misstrauen geschürt: Die Loja Dschirga droht als eine vom Ausland gesteuerte Scharade wahrgenommen zu werden. Stolz ist eine Kategorie, die amerikanische wie westliche Diplomaten manchmal zu gering schätzen.

Viel wird nun davon abhängen, wie Karsai sein neues Kabinett besetzt. Er muss die Dominanz der Tadschiken brechen. Doch er allein ist zu schwach. Zwar ist er der Liebling des Westens, doch im Land wird er als "Bürgermeister von Kabul" belächelt, während die Tadschikenclique die Fäden zieht. Zum ersten Mal in seiner jüngsten politischen Karriere wird Karsai sich mächtige Verbündete im Land suchen müssen. In den ersten sechs Monaten nach dem Sturz der Taliban haben die Tadschiken alle wichtigen Posten in Kabul mit ihren Verwandten und Vertrauten besetzt. Die afghanische Bevölkerung sah dies mit Unwillen, doch haben die meisten bisher still gehalten, weil sie auf den großen Rat hofften. Der sollte die Mängel der Übergangsregierung ausbügeln.

Amerika sollte nun deutlich machen, dass es die Entscheidungen der Loja Dschirga respektiert. Denn wenn die Afghanen nicht selbst über ihre Zukunft entscheiden dürfen, werden sie sich wieder den Kriegsfürsten zuwenden. Und dann kehrt die Anarchie zurück. Immer noch bewegt sich der Prozess demokratischer Selbstbehauptung auf äußerst dünnem Eis.

Den Autor erreichen Sie unter: muehlmann@welt.de

Hitzige Debatten und ein Anschein von Demokratie Alle Artikel zum Thema Weitere Artikel

Auf der Ratsversammlung streiten die Ethnien

Von Daniel Kestenholz

Bangkok - Zu demokratischen Ehren wird Afghanistans Spitzenpolitikern die Loja Dschirga nicht gereichen: Bei einem so chaotischen wie heißblütigen Prozess, der von Vorwürfen der Einmischung von Ausländern, Kriegsfürsten und politischen Cliquen geprägt war, traten die fast 1600 Loja-Dschirga-Delegierten gestern zur Wahl von Afghanistans Staatsoberhaupt an. Hitzige Debatten verzögerten den Wahlgang. Bis spät abends war noch die Wahl des mächtigen Ratsvorsitzenden im Gang. Dabei zeichnete sich auch kein großer Sieg für UN-Übergangsführer Hamid Karsai ab, der als sein eigener Nachfolger zur Wahl antrat.

Die Loja-Dschirga-Delegierten scheinen sich nicht mit der Politik der Hintertüren zufrieden zu geben, die sich vor dem Beginn der Versammlung abzuzeichnen begann. Um der Wahl des Staatsoberhauptes wenigstens den Anschein von Demokratie zu verleihen, hatte die Kabuler Ärztin Massuda Dschalal ihre Gegenkandidatur eingereicht, nachdem die beiden anderen Hauptkandidaten - Altkönig Zahir Schah und Ex-Premierminister Burhanuddin Rabbani - bei Machtkämpfen am Rande der Loja Dschirga kapituliert hatten und ihre Kandidaturen zurückzogen.

Was am Dienstag als fein choreografierter Rat begonnen hatte, war bald durch eine Vielzahl von Vorstößen gebremst. Delegierte aller Lager verschafften sich zu offenem Beifall Luft über ihren Ärger und ihre Hoffnungen im neuen Afghanistan. Paschtunen-Delegierte hatten den USA noch nicht verziehen, dass ihr Wunschkandidat Zahir Schah auf Druck Washingtons seine Kandidatur zurückgezogen hatte, um die mächtige Nordallianz, die Afghanistans politisch und militärisch schlagkräftigste Gruppe darstellt, nicht zu den Waffen zu rufen.

Tatsache ist jedoch, dass die Nordallianz einen stabilisierenderen Faktor darstellt als die Hundertschaft verfeindeter Paschtunen-Fürsten. Und die Amerikaner stehen in gewisser Schuld der Nordallianz, die nach dem 11. September den Bodenkrieg gegen die Taliban übernommen hatte. Dass mit Nordallianz-Führern aber ausgerechnet jene Kräfte das neue Afghanistan dominieren, die das alte Afghanistan mitzerstört hatten, das könnte für die Paschtunen-Führer gegebenenfalls Grund genug sein, sich einer dunklen Gestalt wie Altmudschahed Gulbuddin Hekmatyar anzuschließen, dem Zerstörer von Kabul, der in Afghanistans Provinzen derzeit wieder Unterstützung sucht gegen die Weltgemeinschaft und deren "Vasall" Karsai.

Die aus tadschikischen Pandschiri des alten Widerstandsführers Massud bestehende alte Nordallianz übersieht Afghanistans mächtigste Ministerien und steht an der Loja Dschirga für den Status quo ein. Auf Druck von Paschtunen hatte wenigstens Pandschiri-Innenminister Junis Kanuni den Rücktritt eingereicht.

Trotz der Anlaufschwierigkeiten und Fragezeichen über den Gouverneuren und Kriegsfürsten an der Loja Dschirga, die sich durch Druckmanöver in letzter Minute Zutritt zum Großrat verschafft hatten, überwog unter Gesandten der Konsens, dass die Loja Dschirga ein wichtiger Schritt in Richtung Stabilität für Afghanistan sei.

Den Zorn der Paschtunen über Zahir Schahs Kaltstellung versuchte Karsai mit einem offiziellen Würdentitel für Zahir Schah zu besänftigen und mit der Versicherung, dass der Altkönig in seinen alten Herrscherpalast einziehen werde, wo er zeremonielle Pflichten übernehme. Doch als beschlossene Sache erachte Karsai die politische Kaltstellung von Zahir Schah besser noch nicht.

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  Karsai ist Afghanistans Staatspräsident
  Streit um Loja Dschirga in Kabul


Afghanistan
Die wichtigsten Köpfe der neuen Regierung
Von Anna J. Treu
19. Juni 2002 Nach tagelangen Verhandlungen hat der neue afghanische Präsident Hamid Karsai an diesem MIttwoch in Kabul ein neues Kabinett vorgestellt. Die Loja Dschirga bestätigte seine Entscheidung per Akklamation. FAZ.NET stellt die wichtigsten Köpfe der neuen Regierung vor.

Verteidigungsminister und Vizepräsident: Mohammed Kasim Fahim

Der 44-jährige Tadschike aus dem Pandschir-Tal wurde nach der Ermordung des legendären Militärführers Ahmed Schah Massud dessen Nachfolger als Verteidigungsminister der Nordallianz. Fahim war über Jahre hinweg Massuds Sicherheitsberater. Er gilt als verlässlicher und zäher Militärführer, verfügt aber nicht über Massuds Charisma. Beim Anti-Terror-Einsatz arbeitete Fahim eng mit den Vereinigten Staaten zusammen. In der Interims-Regierung unter Karsai war er bereits Verteidigungsminister und konnte dieses Amt auch dank intensiver Lobby-Arbeit behalten. Seine Machtstellung zeigt sich auch darin, dass er zusätzlich zum Verteidigungsressort das Amt des Vizepräsidenten erhielt. Als Verteidigungsminister soll er innerhalb von zwei Jahren eine rund 80.000 Mann starke, multiethnische Armee aufbauen.

Außenminister: Abdullah Abdullah

Der alte und neue afghanische Außenminister der Nordallianz hat mit Karsai ein enges Bündnis geschlossen. Der Arzt aus dem Pandschir-Tal sprach sich schon zu Beginn der Loja Dschirga für Karsai als neuen Präsidenten aus. Abdullah, weltgewandt und mehrsprachig, war nach dem Sturz der Taliban das bekannteste Gesicht der neuen tadschikischen Führungsgruppe der Nordallianz, die von ihm, Kanuni und Fahim geleitet wird.

Bildungsminister: Junis Kanuni

Kanuni, ebenfalls ein Tadschike aus dem Pandschir-Tal, spielte schon zu Lebzeiten von Ahmed Schah Massud eine wichtige Rolle in der Nordallianz. Nach dem Tod Massuds übernahm Kanuni die politische Führungsrolle und wurde Innenminister der Nordallianz. Er leitete die Delegation der Nordallianz auf der UN-Afghanistan-Konferenz in Bonn und wurde Innenminister der Interims-Regierung. Auf der Loja Dschirga erklärte er seinen Rücktritt „im nationalen Interesse“, um das Innenressort für den Vertreter einer anderen Bevölkerungsgruppe frei zu machen. Kanuni übernimmt in der neuen Regierung das Bildungsministerium.

Innenminister: Tadsch Mohammed Wardak

Der Paschtune übernimmt von Kanuni das Innenministerium. Vorher war er von Karsai als Gouverneur in die südöstliche Provinz Paktia geschickt worden, wo er sich mit dem abgesetzten Gouverneur Padscha Khan herumschlagen mußte.

Finanzminister: Aschraf Ghani

Der wichtigste Berater Karsais übernimmt das Finanzministerium. Ihm fällt damit eine Schlüsselrolle bei der Verteilung internationaler Gelder sowie der Koordinierung des Wiederaufbaus zu. Ghani arbeitete früher für die Weltbank.

Vizepräsident: Karim Khalili

Der Schiiten-Führer Khalili ist zweiter Stellvertreter von Hamid Karsai. Der Führer der Hizb-e Wahdat-Partei vertritt die Volksgruppe der Hazara, die ihre Abstammung auf die Mongolen zurückführen. In den 90er Jahren erkämpften sich die Hazara, die im zentralen Bergland um die Stadt Bamiyan siedeln, eine wichtige politische Rolle. Vorher wurden sie von den anderen ethnischen Gruppen wegen ihres schiitischen Glaubens verachtet und bekämpft.

Vizepräsident: Hadschi Kadir

Kadir kehrte nach dem Sturz der Taliban nach Dschalabad in der östlichen Provinz Nangahar zurück, wo er schon vorher Gouverneur war. Sein Bruder Abdul Hak wurde im Oktober von den Taliban ermordet. Der Paschtune nahm an der Bonner Afghanistan-Konferenz teil, zog sich aber nach Differenzen mit der Nordallianz zurück. Auf der Loja Dschirga profilierte er sich als loyaler Gefolgsmann von Karsai. Kadir wird dritter Stellvertreter von Karsai.
Karsai stellt neue afghanische Regierung vor
Die „Große Versammlung“ akzeptiert das Kabinett des Präsidenten. Die Tadschiken Fahim und Abdullah bleiben Chefs der Schlüsselressorts Verteidigung und Äußeres.


  20.06.2002 Süddeutsche Zeitung

 

Der neue afghanische Präsident Hamid Karsai hat am Mittwoch 14 Minister seines neuen Kabinetts vorgestellt und von der Loja Dschirga in Kabul per Akklamation bestätigen lassen.

Das besonders wichtige Verteidigungsministerium wird weiter von dem Tadschiken-General Mohammed Fahim geleitet. Auch Außenminister Abdullah Abdullah wird seinen Posten behalten. Neuer Innenminister wird Tadsch Mohammed Wardak, bislang Gouverneur der Provinz Paktia. Sein Vorgänger, der Tadschike Junis Kanuni, wird Bildungsminister.

Karsai nannte noch die Namen von weiteren zehn Ministerkandidaten und den des neuen Obersten Richters. Anschließend bat der Präsident die Abgeordneten der Loja Dschirga, die Personalentscheidungen per Handzeichen zu bestätigen.

Die Übergangsregierung soll 18 Monate im Amt bleiben und freie Wahlen vorbereiten. Karsai sagte, er werde zurücktreten, wenn es ihm nicht gelinge, dem Land Frieden und Sicherheit zu bringen. Er wolle, dass alle Befehlshaber des Landes der Kontrolle des Verteidigungsministeriums unterstellt würden.

Kabinetts-Entscheidung schneller als geplant

Karsai hatte sich unter starkem Druck von innen und außen entschlossen, sein neues Kabinett rascher zusammenzustellen als geplant. Eigentlich hatte er damit bis nach der „Großen Versammlung“ warten wollen. Aber die Dschirga und die US-Regierung hatten den neuen Staatschef und derzeitigen Chef einer Interimsregierung gedrängt, die Kabinettsliste vor der als eine Art Volksvertretung tagenden Dschirga öffentlich zu machen.

„Wir haben mehr geeignete Leute als Posten. Ich wünschte, ich könnte entweder das Kabinett vergrößern oder die Zahl der qualifizierten Personen reduzieren“, hatte Karsai im Scherz gesagt.

In Wirklichkeit war er gezwungen, ein möglichst kleines, arbeitsfähiges Kabinett zu bilden. Die bisherige Regierung war zu groß und zu teuer. Andererseits wollten alle Gruppen und Fraktionen mit Amtsträgern vertreten sein. „Karsai hat ein Problem. Einerseits meint er, dass er mit einem kleinen Kabinett die Kosten senken kann. Auf der anderen Seite will er es allen Recht machen und jedem einen Job verschaffen“, sagte ein Delegierter.

Ethnische Machtbalance gestört

Hinzu kommt, dass die ethnische Machtbalance gestört ist. In der bisherigen Interimsregierung hat die Minderheit der Tadschiken das Sagen. Dagegen wehrten sich die Paschtunen, die das größte afghanische Volk bilden. Sie sind seit dem Sturz der Taliban, die Paschtunen waren, ins Hintertreffen geraten.

Karsai ist Paschtune, trifft aber in den eigenen Reihen auf Widerstand. Hingegen sehen die Tadschiken in dem von der internationalen Gemeinschaft geschätzten Geschäftsmann den Mann, der den Fluss ausländischer Finanzhilfe garantiert. Zugleich kann er die tadschikische Macht mangels eigener Möglichkeiten nicht wirklich brechen. Karsai, der über keine Hausmacht verfügt, zwingt sich daher zu einem funktionierenden Arbeitsverhältnis mit den Tadschiken-Führern.

Streit in der „Großen Versammlung“

Sie hatte mit eintägiger Verspätung begonnen, weil die Führer der Tadschiken mit Die Dschirga ist Teil des Ende 2001 unter UN-Schirmherrschaft ausgehandelten Friedensplans. Obwohl die Erwartungen an dieses zugleich traditionelle wie demokratische Organ groß waren, überlagerte Streit die „Große Versammlung“. Sie hatte mit eintägiger Verspätung begonnen, weil die Führer der Tadschiken mit Karsai vorher dessen Wahl zum Präsidenten abgesprochen und den bei den Paschtunen populären Ex-König Mohammed Zahir Schah als Staatschef aus dem Rennen gedrängt hatten. Die Versammlung der mehr als 1500 Delegierten hatte Karsai dann mit überwältigender Mehrheit zum Staatschef gewählt.

Britische Soldaten ziehen ab

Die britische Regierung gab unterdessen laut BBC bekannt, dass sie ihre etwa 1700 Royal-Marines im August aus Afghanistan abziehen werde. Diese Elitesoldaten kämpfen mit US-Truppen gegen die Reste der in die Berge geflohenen Taliban und Al-Qaida-Kämpfer. London erklärte zudem, dass es sein Kontingent in der internationalen Friedenstruppe Isaf im Sommer reduzieren werde.Man wolle im Sommer 900 der 1300 britischen Isaf-Soldaten abziehen. Die Briten werden als Führer der Isaf heute von den Türken abgelöst. Die Bundeswehr stellt rund 1200 Isaf-Soldaten.

Warnung von Amnesty International

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte die Regierungen der Nachbarstaaten Afghanistans, dass es „zu früh und unverantwortlich“ sei, die mehrere Millionen afghanischer Flüchtlinge zur Rückkehr zu drängen.

„Afghanistan ist weit entfernt von Stabilität. Es wird weiter gekämpft, Verbrechen und Banditentum sind Alltag, Frauen und ethnische Minderheiten werden unterdrückt, es gibt abertausender Minen im Land.“ Es sind aber bereits mehr als eine der mindestens vier Millionen Flüchtlinge zurückgekehrt. Dieser unerwartete Andrang bereitet dem Un-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Schwierigkeiten bei der Versorgung der Menschen. Hintergrund ist, dass die von der internationalen Gemeinschaft versprochenen Hilfe in Höhe von fast vier Milliarden US-Dollar sehr schleppend ausgezahlt wird.


Glaube an eine bessere Zukunft
Nach neun Tagen ist gestern die Loya Jirga, die Grosse Ratsversammlung, in Kabul mit der Ernennung des Kabinetts und der Vereidigung von Hamid Karzai als Übergangspräsident zu Ende gegangen.


  20.06.2002 Bieler Tagblatt

 

Jetzt steht sie also, die Übergangsregierung, die unter der Führung des gewählten Präsidenten Hamid Karzai die Weichen für die Zukunft Afghanistans stellen soll. Die Nordallianz hat zwei ihrer bisher drei Schlüsselpositionen behalten. Mohammad Fahim, der umstrittenste Minister, behielt nicht nur das Verteidigungsministerium, sondern wurde zudem zu einem von mehreren Vizepräsidenten ernannt. Aussenminister bleibt Abdullah Abdullah. Das Innenministerium ging von der Nordallianz an einen Vertreter der Paschtunen über. Die Paschtunen waren in der bisherigen Interimsverwaltung untervertreten. Zwei weitere lokale Kriegsfürsten wurden ebenfalls zu Vizepräsidenten ernannt.
Die Tatsache, dass künftig auch Kriegsfürsten am Kabinettstisch sitzen, wird einerseits heftig kritisiert. Andererseits spiegelt sich darin eine traurige Realität wieder: Noch sind Waffen im afghanischen Machtkampf ein überzeugendes Argument.

Gefechte mit Worten
Bei der Zusammensetzung der Kabinettsliste wurde Karzai ein fast unmöglicher Spagat abverlangt: Die Vertreter der kriegsmüden Bevölkerung wollten keine Kriegsfürsten im Kabinett sehen, «an deren Händen das Blut von Afghanen klebt». Die Warlords wiederum wollten ihre Macht und ihren Einfluss nicht preisgeben. Sie drohten sogar mit neuen Konflikten, falls sie nicht angemessen an der Macht beteiligt würden.
Die Loya Jirga war von Anfang an durch chaotische Szenen geprägt. Die Beratungen der Grossen Ratsversammlung begannen - verspätet - mit Klagen über Absprachen, die hinter dem Rücken der Abgeordneten gemacht worden seien. Hamid Karzai wurde zuerst als «Amerikas Lakai» beschimpft, schliesslich aber doch mit einer überwältigenden Mehrheit zum Präsidenten der Übergangsregierung gewählt.
Allein die Tatsache, dass derlei Kritik vorgebracht werden konnte und die Gefechte mit Worten und nicht mehr mit Kalaschnikows ausgetragen wurden, stellt nach über 23 Konfliktjahren in Afghanistan einen enormen Fortschritt dar.

Die Rolle der Frau
Diese Loya Jirga war - in mancherlei Hinsicht - ein Massstab dafür, wie viel sich seit dem Verschwinden der Taliban in Afghanistan verändert hat. Für Jahre von den Taliban von jeglicher Arbeit ausser Haus ausgeschlossen und vom sozialen und politischen Leben ferngehalten, meldeten sich Afghanistans Frauen an der Loya Jirga eindrücklich zurück. Die rund 200 weiblichen Abgeordneten liessen sich auch vom Raunen, das manchmal durch die männlichen Reihen ging, wenn eine von ihnen ans Mikrofon trat, nicht beeindrucken. Von den weiblichen Delegierten kamen nicht nur einige der schärfsten Vorwürfe an die Adresse der Kriegsfürsten, die das Land jahrelang ausgeblutet haben. Sie sorgten auch für eine andere klare Botschaft: Die Rechte der afghanischen Frauen können in Zukunft nicht mehr ignoriert werden.
Auf Karzai, der sein Land auf diesem Weg führen soll, wartet keine leichte Aufgabe: Zwei Jahrzehnte des Krieges und des Bürgerkrieges haben nicht nur die Infrastruktur, sondern auch das soziale Gewebe dieses Landes vollständig zerstört. Die Armut ist unbeschreiblich. Krieg und eine dreijährige Dürre haben weite Landstriche unfruchtbar gemacht.
Schon bisher waren über drei Millionen Afghanen auf ausländische Lebensmittelhilfe angewiesen, um überleben zu können. Jetzt kommt vermutlich eine weitere Million hinzu. So viele Flüchtlinge sind in den letzten vier Monaten nach Afghanistan zurückgekehrt. Zum ersten Mal seit Jahren sehen sie wieder eine Zukunft für sich in ihrer Heimat. Die Loya Jirga hat den afghanischen Zukunftsglauben noch verstärkt.
Ob und wie schnell Normalität nach Afghanistan zurückkehrt, hängt zu einem Grossteil auch davon ab, wie stark die internationale Gemeinschaft die Anstrengungen der Übergangsregierung unterstützt.

Aufbauhilfe
Zu Beginn dieses Jahres wurden Afghanistan 4,5 Milliarden Dollar als Aufbauhilfe versprochen. Doch bislang ist nur ein kleiner Bruchteil dieses Geldes in Kabul eingetroffen. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Loya Jirga, so hofft Afghanistans Präsident Karzai, wird nun auch die zugesagte Hilfe fliessen. Wenn nicht, dürfte sich Afghanistan, wie schon nach dem Abzug der Sowjetarmee, vom Westen im Stich gelassen fühlen. Und die Macht würde dann in jene Hände zurückgelegt, die diesem Land bereits unermesslichen Schaden zugefügt haben: in jene der Kriegsfürsten.

 


Kanuni verweigert offenbar Übernahme von Bildungsministerium
Türkei übernimmt ISAF-Kommando in Kabul


  21.06.2002 Freie Presse

 

Nach rund sechsmonatiger britischer Führung hat die Türkei das Kommando der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe (ISAF) übernommen. In einer feierlichen Zeremonie übergab der britische Generalmajor John McColl in Kabul das Kommando an seinen türkischen Nachfolger Akin Zorlu. Der afghanische Präsident Hamid Karsai dankte den Briten für ihre Arbeit. Unterdessen bahnte sich neuer Streit bei der Bildung der afghanischen Übergangsregierung an: Der zum Bildungsminister ernannte Tadschike Junis Kanuni lehnte die Übernahme des Amtes offenbar ab.

Ankara wird die Zahl seiner Soldaten in Afghanistan von 260 auf 1500 erhöhen. Ursprünglich war auch eine deutsche Führung der multinationalen ISAF-Mission im Gespräch. Trotz finanzieller und logistischer Bedenken erklärte sich aber schließlich die Türkei als einziger NATO-Staat mit mehrheitlich islamischer Bevölkerung zur Führungsrolle in Afghanistan bereit.

Großbritannien will seine ISAF-Soldaten in Afghanistan von derzeit rund 1300 auf einen Stab von etwa 400 Ingenieuren und Logistikexperten reduzieren. Zugleich kündigte Verteidigungsminister Geoff Hoon vor dem Londoner Parlament den Abzug der 1700-köpfigen Eliteeinheit Royal Marines aus Afghanistan an. Die Marines waren an der Jagd auf Taliban und El-Kaida-Kämpfer beteiligt.

Frankreich zog nach siebenmonatigem Einsatz im Rahmen des internationalen Anti-Terror-Einsatzes seinen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" aus dem Indischen Ozean ab. Das Kriegsschiff wird nach seinem bisher längsten Einsatz am 1. Juli wieder im französischen Kriegshafen Toulon erwartet. Staatschef Jacques Chirac stellte weitere sechs Monate lang 500 französische Soldaten für die ISAF-Mission ab.

Kanuni begründete den Verzicht auf das Amt des Bildungsministers nach Angaben aus seinem Umfeld damit, dass er von Karsai nicht gefragt worden sei. Der tadschikische Vertreter der Nordallianz hatte vergangene Woche sein Amt als Innenminister zur Verfügung gestellt und wurde am Mittwoch von Karsai vor den etwa 1600 Vertretern der Loja Dschirga zum Bildungsminister ernannt. Das Innenressort bekleidet künftig der paschtunische Gouverneur der südlichen Provinz Paktia, Tadsch Mohammed Wardak. Aus Protest gegen den neuen Innenminister blieb ein großer Teil der Ministeriumsmitarbeiter der Arbeit fern.


Hamid Karsai hat Vertrauen verspielt
Der afghanische Übergangspräsident stärkt mit der neuen Regierung die alten Kriegsherren


21.06.2002 Berliner Zeitung



Es blieb der bittere Nachgeschmack, nützlicher Statist bei einer "guten Schau" gewesen zu sein, wie Afghanistans Übergangspräsident Hamid Karsai das Treffen der 1 650 Delegierten gepriesen hatte. Denn statt bei der Loja Dschirga, der großen Ratsversammlung, die Grundlage für eine "neue bürgerliche Gesellschaft" zu legen, stärkte Karsai die Rolle der Provinzfürsten und Kriegsfürsten, die in der ersten Hälfte der 90er-Jahre mit ihren brutalen Fraktionskämpfen schon einmal das Land am Hindukusch zerstörten.
Wie wenig Interesse Karsai offenbar hegte, neue demokratische Strukturen zu schaffen, zeigten seine Manöver bei der Besetzung der "Shura", die während der kommenden 18 Monate als provisorisches Parlament dienen soll. Statt gewählter, unabhängiger Vertreter, die dem Regierungschef das Leben möglicherweise schwer gemacht hätten, sollen jeweils fünf Vertreter aus den Provinzen ernannt werden. Gouverneure und Kriegsfürsten werden bei der Auswahl das entscheidende Wort haben. Dabei war die Idee der Loja Dschirga doch geboren worden, um genau diese Afghanen mit "Blut an den Händen" politisch an den Rand zu drängen.

Hamid Karsai dagegen versucht seine politischen Kontrahenten politisch und finanziell einzubinden, indem er sie zu Vizepräsidenten macht. Dazu gehört nicht nur Verteidigungsminister Mohammed Izaq Fahim von der Nordallianz, sondern auch der unsichere Kantonist Karim Khalili, Führer der Hazara-Gruppe Hesb-i-Wahdat in der Bamiyan-Provinz im Herzen Afghanistans. Der Gouverneur von Nangahar, Haji Qadir, ein mit Opiumhandel reich gewordener ehemaliger Gotteskrieger, wird nun ebenfalls nach Kabul umziehen. Karsai kündigte an, er werde bald drei weitere Stellvertreter ernennen. Einer der Kandidaten: General Abdul Rashid Dostum, einst als "Metzger von Mazar-i-Sharif" verschrien. Dostums Vorteil beim Machtpoker in Kabul: Mit dem Wachwechsel an der Spitze der internationalen Sicherheitstruppen Isaf in Kabul kommandieren nun alte Freunde die 4 500 ausländischen Soldaten. Denn die Türkei, die jetzt die Befehlsgewalt von Großbritannien übernahm, versorgte Dostum seit Beginn der 90er-Jahre mit Geld und Waffen. Der General war und ist Teil von Istanbuls Interessen in Zentralasien.

Ob Hamid Karsai nach tagelangen Verhandlungen mit seinem neuen Kabinett die Paschtunen aus dem Süden befrieden kann, ist zweifelhaft. Denn Taj Mohammed Wardak, der statt des Nordallianz-Vertreters Yunus Khanuni den Posten des Innenministers übernahm, gehört zwar der gleichen Volksgruppe an. Den Posten des Gouverneurs von Paktia nahe der Grenze zu Pakistan erhielt er Anfang des Jahres nur, weil die Nordallianz zustimmte. Wardak übernimmt mit dem Innenministerium zwar die neu entstehende Polizei. Doch das Gros der afghanischen Sicherheitskräfte, vor denen sich die Bewohner des Landes so fürchten, wird weiter von Verteidigungsminister Fahim kontrolliert. Denn Karsai verkündete gleichzeitig mit der Kabinettsliste, dass der Feldmarschall künftig allein das Oberkommando über alle Sicherheitskräfte hat. Dazu zählen die berüchtigten Agenten des Geheimdienstes, die selbst die Teilnehmer der Loja Dschirga ausspionierten.

Kein Wunder also, dass Karsai während der Loja Dschirga Vertrauen verspielte. Denn er baute die Provinzfürsten auf, die bei der Fortsetzung des Feldzugs der "Koalition gegen den Terror" gegen die verbliebenen Reste der Talibanmilizen und Osama Bin Ladens Gruppe "El Kaida" unersetzlich sind. Bleibende politische Stabilität am Hindukusch schließt dies aus. Es sei denn, ausländische Truppen bleiben auf Dauer in Afghanistan, um den Ausbruch neuer Rivalitäten zwischen Kriegsfürsten zu unterbinden.

Kein Wunder also, dass Karsai während der Loja Dschirga Vertrauen verspielte. Denn er baute die Provinzfürsten auf, die bei der Fortsetzung des Feldzugs der "Koalition gegen den Terror" gegen die verbliebenen Reste der Talibanmilizen und Osama Bin Ladens Gruppe "El Kaida" unersetzlich sind. Bleibende politische Stabilität am Hindukusch schließt dies aus. Es sei denn, ausländische Truppen bleiben auf Dauer in Afghanistan, um den Ausbruch neuer Rivalitäten zwischen Kriegsfürsten zu unterbinden.


Fundamentalistische Blüten
Die Große Ratsversammlung ist zu Ende, Ministerpräsident Karsai verfügt über eine von der Loja Dschirga legitimierte Regierung und die lokalen Stammesfürsten sind - so scheint es - mit dem Lauf der Dinge einverstanden. Alles bestens im Lande Afghanistan?


21.06.2002 Münchener Merkur



Der Glaube, so sagt man, kann Berge versetzen. Ob dies in Afghanistan funktioniert, bleibt abzuwarten. Es deutet einiges darauf hin, dass Karsai mit wichtigen Kriegsherren des Landes ein Stillhalte-Abkommen geschlossen hat und den Würgegriff starker Bevölkerungsgruppen nur durch die Übertragung mächtiger Posten im Kabinett lockern konnte.

Das Haltbarkeitsdatum dieser Abkommen dürfte kurz bemessen sein. Es ist unwahrscheinlich, dass ein skrupelloser und ehrgeiziger Mann wie Usbeken-General Dostum plötzlich eigene Interessen seiner Liebe zum Vaterland unterordnet.

Nicht zu vergessen die Islamisten. Das Taliban-Regime wurde besiegt, doch das fundamentalistische Gedankengut blüht weiter. Rufe nach Einführung der Scharia zeigen es nur zu deutlich.
Es kommt nicht von ungefähr, dass die USA als Kopf der Anti-Terror-Liga seit Monaten darauf dringen, das Oberkommando der Schutzmacht in türkische Hände zu legen: Die Türkei ist das einzige islamische Nato-Mitglied. Wie ließe sich besser demonstrieren, dass der Kampf gegen den Terror kein Duell zwischen Westen und Islam ist? Dass die Türkei erst nach finanziellen und militärischen Zusagen zustimmte, ist da Nebensache.

Ob die Rechnung der Alliierten aufgeht und ihr Mann in Kabul, Karsai, standhaft genug ist, um als Speerspitze der Demokratie zu dienen, dürfte sich bald zeigen.


Welchen Islam wollen die Afghanen?

21.06.2002 Neue Zürcher Zeitung

 

Die Grosse Ratsversammlung (Loya Jirga) ist zu Ende. Afghanistan hat einen Präsidenten und ein neues Kabinett. Man könnte nun darüber lamentieren, dass die Entscheidungen von den Mächtigen in Absprachen in den Hinterzimmern getroffen worden seien. Etwas anderes allerdings ist realistischerweise gar nicht zu erwarten gewesen. Auch bei allen früheren Grossen Ratsversammlungen hatten die Delegierten meist nach langem Palaver das abgesegnet, was ihnen vorgesetzt wurde.

Die entscheidende Frage ist eine andere. Sind an dieser Loya Jirga die Weichen für eine friedliche Zukunft Afghanistans gestellt worden? Wird die in zähem Feilschen hinter den Kulissen ausgehandelte Machtverteilung Bestand haben? Zweckbündnisse, auch das hat die Geschichte Afghanistans zur Genüge gezeigt, können schnell zerbrechen. Was an der Loya Jirga beschlossen wurde, kann sich angesichts der käuflichen Loyalitäten über Nacht als hinfällig erweisen. Auch ist höchst ungewiss, ob sich jene, die ihre Interessen nicht durchsetzen konnten, mit der Niederlage abfinden werden.

Das von Präsident Karzai ernannte neue Kabinett ist ethnisch zweifellos ausgewogener als das bisherige, auch wenn Mohammed Fahim, ein Tadschike aus dem Panjshir-Tal, der starke Mann bleibt. Innenminister wurde ein paschtunischer Gouverneur aus der Provinz, der über keine Hausmacht verfügt. Die Paschtunen fühlen sich politisch marginalisiert. Ob sie sich mit dem Erreichten zufriedengeben werden, bleibt abzuwarten, Zweifel sind angebracht. Das politische Übergewicht der Tadschiken ist geblieben, und Karzai, selbst ein Paschtune, gilt vor allem bei den königstreuen paschtunischen Stammesführern und Clanchefs als Verräter.

Entscheidend ist auch, ob die mächtigen Kriegsfürsten eine Ausdehnung der staatlichen Kontrolle über Kabul hinaus auf ihre eigenen Herrschaftsgebiete überhaupt zulassen werden. Sie haben zur Genüge bewiesen, zu welchen ruchlosen Taten sie fähig sind, wenn sie sich in ihrer Macht bedroht fühlen. Der Usbeke Rashid Dostom etwa, der autokratische Herrscher über weite Teile des Nordens, ist nicht mehr in der Regierung. Dostom wolle sich aber, so sagte Karzai an der Loya Jirga treuherzig, für Frieden und Abrüstung einsetzen. Karzais Hoffnung, dass sich die bewaffneten Milizen der Kriegsfürsten dem Verteidigungsministerium unterstellen oder sich entwaffnen lassen, dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Das gilt auch für die Warlords in den Gebieten der Paschtunen, die sich kaum in den Dienst des ihnen verhassten tadschikischen Verteidigungsministers Fahim stellen werden, dem sie vorwerfen, dass er eine tadschikische - und nicht eine nationale - Armee aufbauen wolle.

Afghanistan ist nicht nur ethnisch und regional zersplittert. Tief ist auch der Graben, der die meist im Westen ausgebildeten Erneuerer mit ihren Vorstellungen von einem modernen und demokratischen afghanischen Staat von den islamischen und teilweise auch islamistischen Kräften trennt. Vielen sind eine Modernisierung und Säkularisierung nach westlichen Vorstellungen ein Greuel. Der Islam, das einigende Band zwischen den Volksgruppen, ist in Afghanistan tief verwurzelt. In der stark archaischen und von althergebrachten Werten geprägten Gesellschaft nimmt die Religion im Leben der Menschen eine zentrale Stellung ein. Der Islam, wie er traditionell in Afghanistan gelebt wird, ist jedoch moderat. Ein Grund dafür ist die Verbreitung des Sufismus, einer mystischen Strömung des Islams. Vor der Machtergreifung der Taliban, die in Koranschulen in Pakistan religiös indoktriniert wurden, hatten islamistische Extremisten mit ihrer rigiden Auslegung des Korans in Afghanistan kaum eine Chance.

Vor diesem Hintergrund muss die Äusserung Karzais, wonach die Gesetze Afghanistans auf der islamischen Rechtsprechung basieren sollen, bewertet werden. Gewiss verstehen islamistische Rechtsgelehrte (und solche gibt es in Afghanistan auch nach dem Fall der Taliban) darunter etwas ganz anderes als Karzai. Das Gleiche gilt auch im Falle der offiziellen Bezeichnung der neuen Übergangsregierung und des Staates Afghanistan als «islamisch». Ob es sich dabei um Zugeständnisse an die islamischen Kräfte handelt, sei dahingestellt. Die Berufung auf den Islam und die Scharia bedeutet jedoch keinesfalls, dass damit der Geist der Taliban wieder auferstanden ist.

Afghanistan ist noch lange nicht über den Berg. Wie soll eine zersplitterte Stammesgesellschaft in eine Nation verwandelt werden? Wie soll ein Staatswesen im modernen Sinn aufgebaut werden in einem Land, in dem es kaum ein historisch gewachsenes nationales Bewusstsein gibt? Das alles braucht Geduld und einen sehr langen Atem. Eine wichtige Voraussetzung für Fortschritte bei der Demokratisierung ist der wirtschaftliche Wiederaufbau, und zwar im ganzen Land, nicht nur in Kabul. Bisher flossen die Hilfsgelder jedoch nur spärlich und kaum in die Provinz, die nach wie vor als unsicher gilt. Wenn verhindert werden soll, dass Afghanistan erneut im Chaos versinkt, müssen die vielen Versprechen der westlichen Länder auch eingehalten werden. Afghanistan darf nicht noch einmal, wie das nach dem Sieg der Mujahedin über die sowjetischen Truppen der Fall gewesen war, sich selbst überlassen werden.

 

A list of the Cabinet ministers and top leaders in Afghanistan's new transitional government and their ethnicities:

 

_President: Hamid Karzai, Pashtun.

_Deputy Presidents: Mohammed Fahim, Tajik; Karim Khalili, Hazara; Abdul Qadir, Pashtun.

Cabinet:

_Defense Minister: Mohammed Fahim, Tajik.

_Foreign Minister: Abdullah, Tajik.

_Finance Minister: Ashraf Ghani, Pashtun.

_Interior Minister: Taj Mohammed Wardak, Pashtun.

_Planning Minister: Mohammed Mohaqik, Hazara.

_Communications Minister: Masoom Stanakzai, Pashtun.

_Borders Minister: Arif Nurzai: Pashtun but from a Tajik-dominated party.

_Refugees Minister: Intayatullah Nazeri, Tajik.

_Mines Minister: Juma M. Mahammadi, Pashtun.

_Light Industries Minister: Mohammed Alim Razm, Uzbek.

_Public Health: Dr. Sohaila Siddiqi, Pashtun.

_Commerce Minister: Sayed Mustafa Kasemi, Shiite Muslim.

_Agriculture Minister: Sayed Hussain Anwari, Hazara.

Courts:

_Supreme Court Chief Justice: Sheikh Hadi Shinwari.

 

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